Armfüßer

[790] Armfüßer (Brachiopoden, Brachiopoda), Gruppe von Tieren, wegen ihrer äußern Ähnlichkeit mit Muscheln früher zu den Weichtieren gerechnet, jetzt aber mit den Würmern oder Moostierchen vereinigt (Molluskoiden) oder besser als eigne Klasse aufgefaßt. Ihre den Weichkörper umschließenden Kalkschalen sind nicht, wie bei den Muscheln, eine rechte und eine linke, sondern eine obere und eine untere; unter ihnen liegen die sie absondernden Mantellappen, d.h. große Hautfalten, die den Rumpf einhüllen. Die untere Schale (Fig. 1), früher als Bauchklappe bezeichnet, ist direkt oder mittels eines Stieles festgewachsen; meist ist an ihr die obere in einem Schloß (Scharnier) beweglich und wird durch Muskeln geöffnet und geschlossen. Die Arme sind in einer kegelförmigen Spirale aufgerollt, entspringen zu beiden Seiten des Mundes von einem Kalkgerüst (Fig. 2) und sind mit dichten und langen Fransen versehen, mit denen sie zur Herbeischaffung der Nahrung im Wasser einen Strudel hervorrufen. Der Mund führt in den von zwei großen Leberflügeln umgebenen Darm. Der After kann fehlen. Auf der Rückenfläche des Darmes liegt das Herz (es fehlt bei einigen Arten); das Blut zirkuliert z. T. in besondern Gefäßen, z. T. in großen Lücken des Mantels, der Arme etc. Die A. sind meist getrennt-geschlechtlich; aus den Eiern geht eine frei schwimmende Larve hervor, die in mancher Beziehung derjenigen der Ringelwürmer gleicht. – Man kennt mehrere Tausend Arten A., jedoch nur reichlich 100 lebende; alle hausen im Meer, z. T. in größern Tiefen. Die fossilen Formen beginnen schon im Silur, nehmen darauf ab, werden im Jura nochmals stärker und sterben dann wieder langsam aus. Einige Gattungen haben sich vom Silur bis zur Gegenwart erhalten. Man teilt die A. in zwei Gruppen: 1) Ecardines, mit After, aber ohne Armgerüst und ohne Schloß an der Schale; hierher die mit einem Stiel versehene Lingula, Obolus (s. Tafel »Kambrische Formation«, Fig. 4), noch jetzt in den tropischen Meeren sehr verbreitet; 2) Testicardines, ohne After und mit Armgerüst und Schloß; hierher Chonetes, Strophonema, Orthis, Orthisina Atrypa (s. Tafel »Silurische Formation I«), Pentamerus (Tafel II), Stringocephalus, Merista, Spirifer Spirigera, Rhynchonella (s. Tafel »Devonische Formation I«, Fig. 13), Spirifer, Productus (s. Tafel »Steinkohlenformation I«), Productus, Strophalosia, Camarophoria (s. Tafel »Dyasformation«, Fig. 13), Terebratula, Retzia (s. Tafel »Triasformation I«), Terebratula (s. Tafel »Juraformation II«, Fig. 4 u. 6), Crania (s. Tafel »Kreideformation II«, Fig. 15). Vgl. Owen, Anatomy of the Brachiopoda (Lond. 1835); Hancock, On the organisation of the Brachiopoda (das. 1858); Davidson, Monograph of British fossil Brachiopoda (das. 1851–85) und of recent Brachiopoda (das. 1887–88); Lacaze-Duthiers, Brachiopodes vivants de la Méditerranée (Par. 1861); Morse, On the systematic position of the Brachiopoda (Boston 1873); Blochmann, Untersuchungen über den Bau der Brachiopoden (Jena 1893).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 790.
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