Attis

[69] Attis (Atys), ein in Phrygien einheimisches, mit dem Kulte der Kybele-Agdistis verbundenes mythisches Wesen. Nach der Sage von Pessinus in Phrygien entsprießt aus dem Blute des von den Göttern aus Furcht vor seiner Riesenkraft entmannten Sohnes der Kybele ein Mandelbaum; dessen Frucht genoß Nana, die Tochter des Flußgottes Sangarios, und gebar hierauf den A. Unter Hirten wächst er zu so wunderbarer Schönheit auf, daß Kybele den Jüngling liebgewinnt. Als er sich mit der Königstochter von Pessinus vermählen will, versetzt ihn die Göttin in Wahnsinn; er flieht ins Gebirge und entmannt sich unter einer Fichte, in die sein Geist entweicht, während Veilchen seinem Blut entsprießen. Zeus gewährt der Göttin auf ihre Bitte um Wiederbelebung nur, daß sein Leib nie verwese. Sein Grab befand sich auf dem Berg Dindymos im Heiligtum der Kybele, deren Priester um seinetwillen verschnitten sein mußten. Nach anderer Sage trifft den A. die Entmannung als Strafe für Treubruch an Kybele. Der Kult des A., der sich mit dem der Kybele weit verbreitete, gipfelte in dem ihm jährlich beim Anbruch des Frühlings gefeierten Fest. Die ersten Tage waren Trauertage: eine mit Veilchen bekränzte Fichte wurde in feierlicher Prozession in das Heiligtum der Göttin getragen, dann A. mit tobender Musik und Raserei in den Bergen gesucht, wie ihn die Göttin gesucht hatte; der dritte Tag war der Bluttag, d. h. der Tag der Entmannung und des Todes des A., an dem sich die Priester (Galli) unter wilden Wehklagen verwundeten, worauf die Waschung des Bildes der Göttin und ein wildes Freudenfest die Feier beschlossen. Die Kunst stellt den A. dar als jugendlichen Hirten von weichlicher Bildung, in eng anliegender, Arme und Beine bedecken der Kleidung, mit phrygischer Mütze und Hirtenstab. Vgl. Rapp in Roschers »Lexikon der Mythologie«, Bd. 1, Sp. 715 ff.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 69.
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