Bluterkrankheit

[94] Bluterkrankheit (Blutsucht, Hämophilie), Krankheitsanlage, bei der auf die geringste Veranlassung Blutungen eintreten, die bis zur Lebensgefahr[94] andauern und fast allen Mitteln trotzen. Verletzungen am Kopf, an den Lippen und Fingerspitzen scheinen besonders gefährlich zu sein. Oft entstehen spontan Blutungen (Nasenbluten), und auch die Menstruation gibt zu heftigen Blutverlusten Veranlassung. Das Blut kann auch im Innern der Gewebe austreten, so daß durch alle Organe des Körpers zerstreute Blutflecke erscheinen. In der Regel sind solche Blutaustretungen Folge leichter äußerer Einwirkungen, ein längerer Druck eines Teiles, z. B. des Gefäßes beim Sitzen, kann blaue Flecke hinterlassen. Die Ursache dieser großen Neigung zur Zerreißung der Gefäße und der stets zugleich vorhandenen geringen Gerinnbarkeit des Blutes ist noch nicht aufgeklärt; zuweilen liegt mangelhafte Bildung des Gefäßapparats, zuweilen Klappenfehler des Herzens zu Grunde. In der Regel ist die B. angeboren und vererbt sich von Geschlecht zu Geschlecht, jedoch vorzugsweise auf die männlichen Personen. In der Entwickelungsperiode soll die Neigung zur B. sich steigern, im höhern Lebensalter sich allmählich verlieren, doch hat man Greise von 70 Jahren an B. sterben sehen. Die meisten Bluter sterben schon als Kinder an Verblutung. Am gefährlichsten sind immer die Blutungen bei Neugebornen aus den Nabelgefäßen und später aus der Nase. Die Behandlung eingetretener Blutungen besteht in sorgfältiger Stillung, neuerdings sind Gelatineeinspritzungen empfohlen worden. Selbstverständlich müssen bei der B. alle Blutentziehungen und auch kleinere Operationen womöglich vermieden werden. Blutern sollte das Heiraten verboten werden. Vgl. Grandidier, Die Hämophilie oder B. (2. Aufl., Leipz. 1877); Koch, Die B. (Stuttg. 1889).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 94-95.
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