Cadorna

[685] Cadorna, 1) Carlo, Graf, ital. Staatsmann, geb. 8. Dez. 1809 in Pallanza, gest. 2. Dez. 1891 in Rom, studierte die Rechte und ließ sich 1838 in Casale als Advokat nieder. 1848 wurde er in die sardinische Kammer gewählt und trat als Unterrichtsminister in das Kabinett Gioberti ein. 1849 begleitete er Karl Albert in den Krieg gegen Österreich und verhandelte nach der Niederlage bei Novara den Waffenstillstand. Hierauf vom Ministerium zurückgetreten, stellte er sich an die Spitze der Partei Cavours in der Kammer und war 1857–58 deren Präsident. Seit 1858 Senator, übernahm er 1859 wieder das Unterrichtsministerium und wurde nach dem Frieden von Villafranca Mitglied des Staatsrats. Nachdem er 1865 nach dem Septemberaufruhr in Turin Präfekt geworden war, trat er 1868 als Minister des Innern in das Kabinett Menabrea ein und unterdrückte die Unruhen in der Romagna. 1869–75 war er italienischer Botschafter in London und wurde nach seiner Rückkehr zum Präsidenten des Staatsrats ernannt. C. schrieb zahlreiche politische und historisch-politische Abhandlungen, die Beiträge zur »Nouova Antologia« unter der Chiffer »Un Exministro«. Aus seinem Nachlaß erschien: »Stato, diritto e religione« (1893).

2) Raffaele, Graf, ital. General, Bruder des vorigen, geb. 9. Febr. 1815 in Mailand, gest. 6. Febr. 1897 in Turin, nahm 1848 als Major im sardinischen Heer an dem Kriege gegen Österreich teil und begab sich dann nach Algier, wo er dem Generalstab des Generals Saint-Arnaud als Genieoffizier beigegeben wurde; auch am Krimkrieg nahm er teil. 1860 übertrug ihm die provisorische Regierung Toskanas das Kriegsministerium. 1861 zum Generalleutnant befördert, unterdrückte C. im September 1866 den Aufstand im Palermitanischen, 1869 die Mahlsteuerrevolte in den Marken. Am 11. Sept. 1870 rückte er mit den italienischen Truppen in den Kirchenstaat ein und nahm 20. Sept. Rom mit Ausnahme der Leoninischen Stadt, die er auf Bitte des Papstes zwei Tage später besetzte. Bis zur Einverleibung des Kirchenstaates in das Königreich Italien blieb C. als Gouverneur in Rom. 1873 erhielt er das Kommando in Turin, schied aber 1877 aus dem Dienst. Lange Zeit Mitglied der Deputiertenkammer, gehörte C. seit 1871 dem Senat an. Er schrieb: »La liberazione di Roma nel 1870 ed il plebiscito« (Rom 1889).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 685.
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