Chemischer Prozeß

[918] Chemischer Prozeß, der Vorgang der Verbindung oder Zersetzung der Stoffe. Zink bleibt bei gewöhnlicher Temperatur beim Liegen an der Luft unverändert, erhitzt man es aber hinreichend stark bei Zutritt der Luft, so schmilzt es, entzündet sich und verbrennt zu weißem Zinkoxyd, indem es sich mit dem Sauerstoff der Luft verbindet. Zinkoxyd besteht aus Zink und Sauerstoff, seine Bildung ist ein ch. P. und zwar ein synthetischer, weil bei demselben zwei Körper zur Bildung eines neuen Körpers zusammengetreten sind. Erhitzt man kohlensauren Kalk, so tritt chemische Zersetzung ein, es entweicht gasförmige Kohlensäure, und es bleibt Calciumoxyd zurück. Letzteres kann noch weiter in Calcium und Sauerstoff zerlegt werden. Diese chemischen Prozesse, durch die ein Körper in seine Bestandteile zerlegt wird, nennt man analytische. Die Verbindung des Zinks mit Sauerstoff erfolgt auf Grund der chemischen Verwandtschaft der beiden Elemente zueinander; erhitzt man kohlensauren Kalk, so daß die Kohlensäure entweicht, so wird die chemische Verwandtschaft, welche die Körper vereinigt hielt, durch die hohe Temperatur überwunden. Bringt man Chlorwasserstoff und Eisen miteinander in Berührung, so bildet sich Chloreisen und freier Wasserstoff, indem die Verwandtschaft des Eisens zum Chlor sich stärker erweist als die des Chlors zum Wasserstoff. Mischt man Lösungen von essigsaurem Blei mit schwefelsaurem Zink, so scheidet sich unlösliches schwefelsaures Blei aus, und in Lösung bleibt essigsaures Zink. Derartige chemische Prozesse nennt man Wechselzersetzungen oder Umsetzungen. Wirkt Zink Zn auf Schwefelsäure H2SO4, so tritt das Zink an die Stelle des Wasserstoffs H, und es entsteht schwefelsaures Zink ZnSO4, der Wasserstoff wird durch Zink substituiert. Derartige Substitutionsprozesse spielen besonders in der organischen Chemie eine große Rolle, indem z. B. im Ammoniak NH3 die drei Atome Wasserstoff durch Alkoholradikale ersetzt, substituiert werden können (NH2.CH3-NH(CH3)2-N(CH3)3). Erhitzt man Salmiakkristalle, so verwandelt sich der Salmiak (NH4Cl) in Dampf, und bei genügend hoher Temperatur zerfällt er durch Dissoziation in NH3 und HCl, welche Körper, wenn sie nicht voneinander getrennt werden, bei sinkender Temperatur sich wieder miteinander vereinigen. Auch durch Einwirkung des Lichtes und des elektrischen Stromes können chemische Verbindungen zerlegt werden (Elektrolyse). Chemische Prozesse verlaufen beständig in der Natur (Verwitterung der Gesteine, Bildung organischer Substanzen aus Kohlensäure und Wasser in den Pflanzen, Umwandlungen von Pflanzenstoffen im tierischen Körper, Fäulnis und Verwesung abgestorbener Organismen), und auch die Technik ruft in zahllosen Fällen solche Prozesse hervor, die sie auf ein bestimmtes Ziel hinleitet. Auf chemische Prozesse sind die Erfolge des Ackerbaues und der Viehzucht, die Entwickelung der Organismen, ihre Gesundheit, ihre Krankheit und ihr Tod zurückzuführen. Die Wirkung der meisten Arzneimittel beruht auf chemischen Prozessen, und ebenso werden die Substanzen, mit denen die Technik arbeitet, die Metalle, viele Salze, das Glas etc., durch chemische Prozesse gewonnen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 918.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: