Darmwunden

[527] Darmwunden entstehen 1) ohne gleichzeitige Eröffnung der Bauchhöhle durch Einwirkung sehr starker stumpfer Gewalt, wie z. B. durch Hufschlag gegen den Leib, durch heftigen Stoß mit einer Wagendeichsel etc., wobei äußerlich an der Stelle der Verletzung in der Regel höchstens eine relativ geringe Blutunterlaufung an der Bauchhaut sichtbar ist, während der dahinter liegende Dünndarm vollkommen zerrissen sein kann. In diesem Falle wird der Darminhalt in die Bauchhöhle austreten, sich schnell verbreiten und, oft schon wenige Stunden nach der Verletzung, allgemeine Bauchfellentzündung hervorrufen. In solchem Falle kann die Verletzung nur durch Bauchschnitt mit Erfolg behandelt werden, indem man die ausgesuchte Darmwunde in geeigneter Weise vernäht und eventuell die Bauchhöhle von Darminhalt oder Eiter reinigt. D. entstehen 2) mit gleichzeitiger Eröffnung der Bauchhöhle durch Stoß, Stich, Hieb, Schuß. Bei allen diesen Fällen kann durch Mitverletzung eines größern Blutgefäßes dec Tsd dacch Verblutung drohen, und zwar ohne daß das Blut durch die Wunde in der Bauchwand nach außen abfließt. Erkennbar ist diese Gefahr durch Blaßwerden, zunehmendes Schwächegefühl, starken Durst, dann Ohnmachtsanwandlung, Schwächerwerden des Pulses. Hier kann nur Eröffnung der Bauchhöhle, Aufsuchen und Unterbinden des blutenden Gefäßes, alsdann Reinigung der Bauchhöhle von dem bereits in dieselbe ergossenem Blut Rettung bringen. Nächst der Blutung droht, besonders bei größerer Wunde der Bauchwand, die Gefahr des Vorfalls, wobei der Dünndarm am meisten in Betracht kommt. Ist der vorgefallene Darmteil nicht eingeklemmt, so kann man ihn, nach Abwaschung mit steriler Kochsalzlösung, sofort reponieren. Ein bereits einige Zeit vorliegendes oder gar eingeklemmtes Darmstück wird man in vielen Fällen, immer dann, wenn blaurote Verfärbung und Brand begonnen hat, durch Darmresektion entfernen und die hierdurch entstandenen Querschnitte des Darmrohres sorgfältig aneinander nähen (s. Darmnaht). Durch dieselbe Operation werden schwerer verletzte, z. B. stark zerrissene Darmstücke entfernt, ebenso solche, deren Wunden brandig geworden sind. Dagegen können kleinere Stich- und Schußwunden des Darmes häufig durch Anlegung einer seinen Naht geschlossen werden. Seltener legen sich sofort nach Entstehung der Wunde deren Ränder aneinander und heilen von selbst, besonders bei kleinen Wunden und in dem straffern Gewebe der Dickdarmwand. Dies ist aber die Ausnahme, und man muß daher alle D. aufsuchen und schließen, wobei stets zu berücksichtigen ist, daß bei den vielfach neben-, über- und untereinander gelagerten Darmschlingen eine Stich- oder eine Schußwunde mehrere Darmverletzungen verursachen kann. War der Darm im Augenblick der Verletzung gefüllt, so wird viel leichter, als wenn er leer war, Darminhalt in die Bauchhöhle austreten und eine Bauchfellentzündung hervorrufen, die in günstigen Fällen lokal beschränkt sein und fernerhin durch Verwachsungen abgekapselt werden kann, in ungünstigen Fällen eine allgemeine und tödliche wird. (Daher vermeidet man vor Pistolenduellen Nahrungsaufnahme.) Wo, wie häufig im Krieg, wohleingerichtete chirurgische Anstalten nicht zur Verfügung stehen, beobachtet man neuerdings (im südafrikanischen Krieg) vielfach ein möglichst konservatives, abwartendes Verhalten (vollkommene Ruhe, Opium, Nahrungsenthaltung).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 527.
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