Eutychianischer Streit

[193] Eutychianischer Streit, Kirchenstreit des 5. Jahrhunderts. Der Presbyter und Archimandrit Eutyches zu Konstantinopel übertrieb den Gegensatz zu Nestorius (s.d.) durch die Behauptung, daß in Christus zwei Naturen nur vor der Menschwerdung zu unterscheiden, nachher aber alles Menschliche im göttlichen Wesen Christi ausgegangen und daher nur eine Natur zu bekennen sei. Auf einer Synode zu Konstantinopel (148) wurde er seines Amtes entsetzt. Sein mächtiger Gönner, der Patriarch Dioskuros von Alexandria, wußte es durch seinen Einfluß bei Hofe dahin zu bringen, daß zu nochmaliger Untersuchung der Sache eine allgemeine Kirchenversammlung nach Ephesus ausgeschrieben wurde. Auf dieser tumultuarisch verlaufenden sogen. Räubersynode setzte Dioskuros die Wiederaufnahme des Eutyches und die Absetzung seines vornehmsten Gegners, des Patriarchen Flavian von Konstantinopel, durch. Dieser wußte Papst Leo I. für die Angelegenheit zu interessieren, der in eignem Schreiben (sogen. Tomus ad Flavianum) gegen die eutychianische Lehre sich aussprach. Kaiser Marcian berief 451 eine neue (die vierte ökumenische) Synode nach Chalcedon, wo die ephesinische Synode kassiert und erklärt wurde, daß fortan zwei Naturen, unvermischt, aber auch unzertrennlich, in der einen Person Christi vereint geglaubt werden sollten (sogen. Zweinaturenlehre, Diphysitismus). Eutyches wurde verbannt. Der Gegensatz zwischen den Diphysiten und Monophysiten (s.d.) wurde durch die Synodalentscheidung nicht beseitigt, sondern hielt das orientalische Christentum durch ein Jahrhundert in Aufregung S. auch Chalcedonisches Glaubensbekenntnis.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 193.
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