Monophysiten

[78] Monophysiten (griech.), Bezeichnung derjenigen Partei in der orientalischen Kirche, die im Gegensatz zu den rechtgläubigen Diphysiten (so genannt, weil sie zwei Naturen in Christus lehrten) nur eine gottmenschliche Natur in Christus anerkennen wollten. Das Chalcedonische Glaubensbekenntnis (s. d.) fand nur im Abendland und in den unter dem unmittelbaren Einfluß des oströmischen Kaisers und seines Patriarchen stehenden Kirchen des Orients allgemeine Billigung. In den Provinzen des Ostens, namentlich in Ägypten, Palästina und Syrien, rief es langwierige und erbitterte Streitigkeiten hervor. Gelegentliche Beschwichtigungsversuche, unter denen das Henotikon des Kaiser Zenon (s. d.) von 482 der wichtigste war, führten nicht zum Ziel. Vergeblich waren auch die Bemühungen Justinians I. (527–565) und seiner Gattin Theodora, deren Sympathien dem monophysitischen Bekenntnis gehörten, die Kontroverse aus der [78] Welt zu schaffen. Erfolglos ließ der Kaiser, um den Orthodoxen zu genügen, den von den M. hochgeachteten Origenes (s. d.) und, um die M. zu gewinnen, die antiochenische Theologie (s. Antiochenische Schule und Dreikapitelstreit) verdammen. Inzwischen waren die M. selbst in die verschiedensten Richtungen und Parteien auseinander gegangen. In Ägypten sonderten sich infolge des Henotikons die strengen M. (sogen. Akephaloi, Kopflose) von den regierungsfreundlichen ab. Aus dem dogmatischen Streit zwischen den Bischöfen Julianus von Halikarnassus und Severus von Antiochia (s. d.) gingen die Parteien der Julianisten (Aphthartodoketen, »Unverweslichkeitsträumer«, genannt, weil sie den Leib Christi schon auf Erden der Vergänglichkeit entzogen glaubten) und der Severianer (Phthartolatren, »Verweslichkeitsdiener«, genannt) hervor. Von diesen sonderten sich wieder die Agnoëten ab, die sich, indem sie Christus nach seiner menschlichen Natur ein Nichtwissen vieler Dinge zuschrieben, der Position der Orthodoxen näherten, während auf der andern Seite die Aktisteten so weit gingen, den Leib Christi für ungeschaffen zu erklären. Auch die Behauptung, man müsse, wenn man nicht zur Zweiheit der Naturen zurückkehren wolle, jeden Unterschied des Göttlichen und Menschlichen in Christus leugnen (Adiaphoriten), tauchte auf. Der Monophysitismus hat sich bis auf den heutigen Tag erhalten. In Armenien bilden die M. die eigentliche Volkskirche. In Ägypten sind die Kopten (s. d.) M., und in Syrien und Mesopotamien bestehen unter dem Namen Jakobiten (s. d. 1) große monophysitische Gemeinschaften. S. auch Monotheleten und Tritheismus. Vgl. Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte, Bd. 2 (3. Aufl., Freib. 1894).

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 78-79.
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