Fabrikordnung

[254] Fabrikordnung (Fabrik- und Werkstattordnung, Arbeitsordnung), die innerhalb des Rahmens der Gesetzgebung für eine gewerbliche Unternehmung (Fabrik) getroffene allgemeine Ordnung, durch die das Arbeitsverhältnis geregelt, Rechte und Verbindlichkeiten der Arbeiter bestimmt werden. In Deutschland ist die F. durch Gesetz vom 1. Juni 1891 obligatorisch gemacht für Fabriken, Hüttenwerke, Zimmerplätze und andre Bauhöfe, Werften, Ziegeleien, über Tag betriebene Brüche und Gruben, die nicht bloß vorübergehend oder in geringem Umfang betrieben werden, sofern in ihnen in der Regel mindestens 20 Arbeiter beschäftigt werden. Sie muß Bestimmungen enthalten über Einteilung und Dauer der Arbeit, über Zeit und Art der Abrechnung und Lohnzahlung, über Kündigungsfristen und Fälle sofortiger Entlassung, sofern es nicht bei den gesetzlichen Bestimmungen bewenden soll; wenn Strafen vorgesehen sind, auch solche über Art, Höhe und Verwendung derselben sowie über Verwendung verwirkter Lohnbeträge. Das Gesetz setzt Höchstbeträge für diese Strafen fest. Die Strafgelder müssen zum Besten der Arbeiter der Fabrik verwendet werden. Der Inhalt der F. ist für Arbeiter und Arbeitgeber rechtsverbindlich. Vor Erlaß einer F. sind großjährige Arbeiter, bez. der ständige Arbeiterausschuß über deren Inhalt zu hören. Vor dem Gesetz vom 1. Juni 1891 hatte die etwa vom Arbeitgeber erlassene Ordnung nur die Bedeutung einer vertragsmäßigen Abmachung, die der Arbeiter durch ausdrückliche oder stillschweigende Unterwerfung mit dem Arbeitgeber traf. Das gleiche wird auch für die obligatorische Arbeitsordnung seit dem 1. Juni 1891 behauptet, während andre der letztern den Charakter einer objektiven Rechtsnorm zuerkennen wollen. Vgl. Rehm in »Annalen des Deutschen Reiches« (1894, S. 132) und die dort zitierte Literatur. In der Schweiz wurde die F. vorgeschrieben durch das Fabrikgesetz vom 23. März 1877, in Österreich durch die Gewerbeordnung von 1859 und die Novelle vom 8. März 1885 für Fabriken und Gewerbsunternehmungen mit über 20 Hilfsarbeitern in gemeinschaftlichen Lokalen, ebenso in Ungarn 1884, in Belgien für größere Betriebe durch Gesetz vom 15. Juni 1896. Obrigkeitliche Prüfung und Genehmigung ist, wie früher in Preußen, Sachsen und Württemberg, jetzt in der Schweiz vorgeschrieben. Vgl. Steinert, Neue Normen zur Benutzung bei Ausstellung von Fabrikordnungen (Hamb. 1892); v. Rüdiger, Wegweiser zur Ausstellung von Arbeitsordnungen (5. Aufl., Berl. 1892); Hitze, Normal-Arbeitsordnung (Köln 1892); Oppermann, Anleitung zur Aufstellung und Prüfung der Arbeitsordnungen (2. Aufl., Berl. 1896); Schönberg im »Handbuch der politischen Ökonomie«, Bd. 2, S. 104ff. (4. Aufl., Tübing. 1898); Köhne, Die Arbeitsordnungen im deutschen Gewerberecht (Berl. 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 254.
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