Flagellomanie

[652] Flagellomanie (Flagellantismus), die Sucht, den Geschlechtsgenuß durch Austeilung oder Erduldung von Schlägen zu steigern, wohl gar zu ersetzen. Sie findet sich bereits im Altertum und trat im Mittelalter und bis in die Neuzeit in ständiger Verbindung mit religiösen Gebräuchen, wie den Geißelfahrten (s. Flagellanten), der »Disziplin« der Mönche und Nonnen etc. auf, indem sich dem mystischen Element das physisch-sinnliche zugesellte. Seit dem 17. Jahrh. war sie besonders in England, dem klassischen Lande der F., verbreitet und findet in der neuesten Zeit auch in Frankreich und Deutschland (z. T. verkappt unter dem Namen Massage) immer mehr Anhänger. Die Wurzeln der F. berühren sehr verschiedene Gebiete. Der Schmerz als ein Element des Genusses, die merkwürdigen Beziehungen zwischen religiösen und sexuellen Gefühlen, ästhetischer Genuß (Venus Kallipygos), Erzeugung raschern Kreislaufes des Blutes, reflektorische Erregung der Genitalsphäre (F. als Heilmittel bei Schwäche, Unfruchtbarkeit), vor allem auch sadistische und masochistische Veranlagungen (s. Sexualpsychologie) wirken mit zur Erklärung der F. Die Literatur über F. ist sehr groß, hervorzuheben sind: Meibom, Tractatus de usu flagrorum in re medica et veneria (Leiden 1629; deutsch, Stuttg. 1847); Frusta, Der Flagellantismus und die Jesuitenbeichte (Stuttg. 1834); Cooper, Der Flagellantismus (s. Flagellanten); Eulenberg, Sadismus und Masochismus (Wiesb. 1902); Virmaitre, Les flagellants et les flagellés de Paris (Par. 1902), Dühren (Pseudonym für Iwan Bloch), Das Geschlechtsleben in England, Bd. 2 (Berl. 1903); zur Orientierung: Veriphantor, Der Flagellantismus (das. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 652.
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