Iwán

[118] Iwán (russ., soviel wie Johann), Name mehrerer russ. Großfürsten und Zaren:

1) I. I., Danilowitsch, Kalita (»der Beutel«) genannt, war erst Fürst von Wladimir, Nishnij Nowgorod und Moskau und ward 1328 durch die Tataren, deren Gunst er sich durch Unterwürfigkeit gewonnen, nach der Absetzung Alexanders II. zum Großfürsten von Moskau erhoben. Er regierte, auf die Geistlichkeit gestützt, kräftig und erfolgreich und starb 1341 im Mönchskleid.

2) I. II., Sohn des vorigen, geb. 1326, folgte seinem ältern Bruder, Semen (Simeon), 1353 in der Regierung und starb 1359. Seine Schwäche duldete Unruhen in Staat und Kirche.

3) I. III., Wasiljewitsch, Sohn Wasilijs des Blinden, Großfürsten von Moskau, geb. 22. Jan. 1440, gest. 27. Okt. 1505, bestieg 17. März 1462 den Thron und fügte dem moskowitischen Großfürstentum Twer, Moshaisk, Wologda und andre Gebiete hinzu. Er vermählte sich 1472 mit Sophie, Tochter des Thomas Paläologos, Bruder des letzten byzantinischen Kaisers, wodurch der doppelköpfige byzantinische Adler in das russische Wappen kam. 1478 unterjochte er das blühende Nowgorod, und 1480 machte er sich von der Abhängigkeit von den Tataren frei. Er war der erste, der den Titel Herr (Gossudarj) von ganz Rußland führte und die Einheit und Unteilbarkeit des russischen Reiches proklamierte.

4) I. IV., Wasiljewitsch, mit dem Beinamen der Schreckliche, geb. 25. Aug. 1530, gest. 17. März 1584, Sohn Wasilijs IV., Enkel des vorigen, regierte, anfangs unter Vormundschaft seiner Mutter, 1534–1584. Am 16. Jan. 1547 zum Zaren gekrönt, unterwarf er 1552 Kasan und 1554 Astrachan. Sein Angriff auf Livland vereinigte Schweden, Polen und Dänemark gegen ihn. Durch Stephan Báthori in die Enge getrieben, suchte er Hilfe bei dem Papst Gregor XIII. und trat in dem durch den Nunzius Possevin 1582 zustande gebrachten Waffenstillstand zu Zápolya seine Ansprüche auf Livland ab. Nowgorod ließ er seine Unabhängigkeitsgelüste 1570 mit dem Tode von 60,000 Einwohnern büßen. Der Kampf des Zaren mit den Bojaren, insbes. von 1564 ab, veranlaßte eine Reihe terroristischer Maßregeln gegen den Adel, aber auch die andern Stände. Verdienste erwarb sich I. um die Zivilisation durch Heranziehung deutscher Gelehrten, Künstler und Handwerker. Als die Engländer 1553 den Seeweg nach Archangel gefunden hatten, schloß I. mit ihnen einen Handelsvertrag. Auch die Militärverfassung der Strelitzen ist auf ihn zurückzuführen. Unter ihm begann die Eroberung Sibiriens. Im Jähzorn tötete I. 1581 seinen ältesten Sohn, Iwan. Die Statue Iwans von Antokolsky s. Tafel »Bildhauerkunst XX«, Fig. 8. Vgl. Waliszewski, Ivan le Terrible (Par. 1903).

5) I. V, Alexejewitsch, zweiter Sohn des Zaren Alexei und Halbbruder des nachmaligen Kaisers Peter I., geb. 27. Aug. 1666, gest. 29. Jan. 1696, körperlich und geistig schwach, wurde nach dem Tode des Zaren Feodor (1682), anfangs bei der Thronfolgerfrage übergangen, dann aber mit seinem jüngeren Bruder, Peter, von den Strelitzen zum Zaren ausgerufen und unter die Vormundschaft von deren Schwester Sophie gestellt. 1689 wurde Peter allein Zar, I. behielt nur den Titel.

6) I. VI., Sohn des Herzogs Anton Ulrich von Braunschweig-Bevern und der russischen Großfürstin Anna Leopoldowna, geb. 24. Aug. 1740, gest. 5. Dez. 1764, wurde gleich nach seiner Geburt von der Kaiserin Anna Iwanowna als Sohn angenommen und zu ihrem Nachfolger unter der Vormundschaft Birons ernannt. Am 28. Okt. 1740 wurde dem jungen Kaiser gehuldigt. Kurz darauf aber stürzte seine Mutter Biron und nahm die Zügel der Regierung selbst in die Hand. Am 5. Dez. 1741 setzte ihn Elisabeth, die Tochter Peters I., ab; er wurde in Riga, Dünamünde, seit 1744 in Cholmogory, seit 1756 in Schlüsselburg gefangen gehalten. Der Versuch einer Befreiung durch Mirowitsch veranlaßte 5. Dez. 1764 seine Ermordung durch zwei Offiziere, deren Obhut er anvertraut war. Die Gerüchte von einer Mitwirkung Katharinas II. dabei sind völlig grundlos. Vgl. Brückner, Die Familie Braunschweig in Rußland im 18. Jahrhundert (Petersb. 1876).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 118.
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