Goya y Lucientes

[191] Goya y Lucientes (spr. gōja i ludsiéntes), Don Francisco de, span. Maler, geb. 30. März 1746 zu Fuente de Todes in Aragonien, gest. 16. April 1828 in Bordeaux, bildete sich auf der Akademie von Saragossa, ging dann nach Madrid und von da, durch abenteuerliche Streiche fortgetrieben, nach Rom. 1774 kehrte er nach Madrid zurück, wo er zuerst Kirchenbilder unter der Leitung und dem Einfluß des damals in Madrid anwesenden Mengs malte. In sein eigentliches Fahrwasser lenkte G. erst ein, als er farbige Kartons für die königliche Gobelinsmanufaktur ausführte, auf denen er lebhaft bewegte Szenen aus dem Volksleben darstellte (jetzt zum großen Teil im Pradomuseum in Madrid). Sie fanden durch ihre Naturwahrheit solchen Beifall, daß er eine ganze Menge von derartigen Genrebildern, allerdings in sehr flüchtiger und skizzenhafter, aber doch geistvoller Behandlung, schuf, die sich meist in spanischem Privatbesitz befinden. In seinen höchst lebensvollen Porträten (Reiterbildnis Karls IV. und Karl IV. und seine Familie im Museum zu Madrid, Donna Isabel Cobos de Poroel in der Nationalgalerie zu London) schloß er sich äußerlich an Velazquez an. 1795 wurde er Direktor der Akademie von San Fernando, 1799 erster Maler des Königs. Das letzte Jahrzehnt seines Lebens brachte G. in Bordeaux zu. Seine Geschicklichkeit in der Fresko- und Tempera-Malerei bekunden die Malereien in San Antonio de la Florida und in den beiden kleinen Kuppeln der Kirche Nuestra Sennora del Pilar in Saragossa. In seine letzten Jahre fallen die Werke: der heil. Joseph von Casalanz in der Kirche von San Antonio Abad in Madrid, eine heilige Familie für den Herzog von Noblejas, Santa Yusta und Santa Rufina in der Kathedralkirche von Sevilla, und ein Gemälde, in dem er sich selbst und den Arzt Arieta darstellte, wie dieser ihm eine Arznei reicht. Der Schwerpunkt seiner künstlerischen Bedeutung beruht jedoch in seinen Radierungen, die ebensosehr durch geistvolle Technik wie durch lebendige Auffassung fesseln. In diesen Radierungen ist er ein bitterer Satiriker der politischen, kirchlichen und gesellschaftlichen Zustände seiner Zeit. Eine 1793–98 entstandene Sammlung ist unter dem Namen »Caprichos« (Einfälle) bekannt, eine andre trägt den Titel: »Los desastres de la guerra« (das Unglück des Krieges), eine dritte »Tauromaquia« (Stiergefechte). G., dessen Werke als Vorläufer des modernen Realismus erst in neuerer Zeit zur richtigen Würdigung gelangt sind, besaß eine bewundernswerte Geschicklichkeit, mit wenigen Pinselstrichen ein Individuum auf das treffendste zu charakterisieren; aber durch zu sichtbar hervortretendes Streben nach Effekt und eine nicht selten an Nachlässigkeit grenzende Kühnheit gerieten seine Schöpfungen oft in Manier. Ein echter Spanier, wußte er vor allen seinen Werken ein nationales, volkstümliches Gepräge zu geben. Die Mehrzahl seiner Gemälde befindet sich im Pradomuseum und in der Akademie von San Fernando in Madrid, die unter anderm drei seiner Hauptwerke, die bekleidete und die unbekleidete Maja und das Narrenhaus, besitzt. Vgl. Yriarte, G., sa biographie, etc. (Par. 1867); Lefort, Francisco G., étude biographique et critique (das. 1877); De la Viñaza, Goya y Lucientes (Madr. 1887); v. Loga, Francisco de G. (Berl. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 191.
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