Hüftweh

[606] Hüftweh (Neuralgia ischiadica, Ischias postica), ein Nervenschmerz, der sich in der Regel in der Gegend von dem Gesäß bis zur Kniekehle und in die Waden, von da längs des Wadenbeins bis zum äußern Knöchel, zur Ferse und zum äußern Fußrand, jedoch selten in der ganzen Ausdehnung des Verlaufs des ischiadischen Nervs bemerklich macht. Zuweilen sitzen die Schmerzen in der Fußsohle. Das Übel ist meistens einseitig, seltener beiderseitig. Wie bei allen Neuralgien tritt der Schmerz beim H. in Anfällen auf, doch sind auch die Pausen zwischen den Anfällen meist nicht ganz schmerzfrei. Die Anfälle werden häufig durch unvorsichtige Bewegungen mit dem kranken Bein, Husten, Niesen hervorgerufen. In vielen Fällen finden sich beim H. sogen. Druckpunkte, d. h. Stellen, an denen Fingerdruck auf den erkrankten Nerv schmerzhaft empfunden wird, z. B. zwischen Rollhügel und Sitzbeinknorren, in der Kniekehle, hinter den Knöcheln. Zuweilen entstehen Muskelkrämpfe, besonders in den Waden und in der Fußsohle, auch allgemeines Muskelzittern. Stets ist das Gehen, auch das Bücken stark erschwert, der Körper ist meist schief nach der gesunden Seite geneigt. Bei längerm Bestehen der Krankheit magert das Bein ab infolge des Nichtgebrauchs. Die Ursachen des Hüftwehes sind sehr verschieden. Durch Druck auf den Nervenursprung können im Becken angehäufte Kotballen, Geschwülste, krampfaderähnliche Erweiterungen der Venen des Beckens die Veranlassung geben. Eine häufige Ursache ist Erkältung, ferner kann Quetschung oder Verletzung der Nerven durch Fall auf das Gesäß, durch langes Sitzen auf harten Stühlen und ähnliches zu H. führen. Manchmal verbergen sich beginnende Rückenmarkserkrankungen unter dem Bilde des Hüftwehes, ebenso die Zuckerharnruhr. Männer erkranken häufiger als Frauen am H., das Alter zwischen 20 und 60 Jahren ist dem Leiden am meisten unterworfen. Der Verlauf des Hüftwehes ist meist langwierig, die Dauer berechnet sich auf Wochen. Rückfälle sind häufig. Die Behandlung hat sich, wenn möglich, nach der Ursache zu richten. Vor allem ist Bettruhe mit zweckmäßiger Lagerung und Warmhaltung des kranken Beines und die Sorge für regelmäßigen, weichen Stuhl erforderlich. In frischen Fällen lindern häufig örtliche Blutentziehungen (Schröpfköpfe) oder Hautreize (Senfpflaster) den Schmerz. Bei H. infolge von Erkältung sind Schwitzkuren angebracht. In vielen Fällen erzielt man durch die Anwendung des galvanischen Stromes, durch wechselwarme Duschen, manchmal auch durch die Nervendehnung gute Erfolge. Manchmal läßt sich die Anwendung narkotischer Mittel nicht umgehen. Bei eingewurzeltem (chronischem) H. und zur Nachkur in frischen Fällen eignen sich warme Bäder, namentlich Wiesbaden, Wildbad, Gastein, Warmbrunn, Teplitz.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 606.
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