Husten

[672] Husten (lat. Tussis), stoßweise und tönende Ausatmung unter krampfhaftem Schluß der Stimmritze. Dem Hustenstoß geht eine tiefe Einatmung vorher, die Ausatmungsbewegung geht anfangs gegen die geschlosseneStimmritze vor sich. Öffnet sich diese spaltförmig, so schießt die unter hohem Druck stehende Luft heftig nach außen. Die nächste Ursache des Hustens beruht auf einer Reizung des in der Schleimhaut der Luftwege sich verbreitenden Nervus vagus. Bald sind es fremde Körper (zu solchen gehören hier auch Schleim, Eiter, Blut etc.), welche die Schleimhaut des Kehlkopfes, der Luftröhre und ihrer Äste berühren, bald zu warme und zu kalte, mit Rauch und chemisch differenten Dünsten geschwängerte Luft. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ist der H. Zeichen eines bestehenden Katarrhs der Luftwege oder einer Kehlkopferkrankung, einer Lungen- oder Brustfellentzündung. Die Wirkungen des Hustens bestehen hauptsächlich in der gewollten Entfernung des den H. verursachenden Reizes. Ist ein in die Atmungswege eingedrungener Fremdkörper oder dort angesammelte Sekrete die Ursache des Hustens, so bewirkt dieser meist die Entfernung dieser Ursache und ist hierdurch heilsam. Daneben aber bewirkt starker H. eine heftige Erschütterung des ganzen Körpers, zuweilen Zerreißung kleiner Blutgefäße, ferner Störungen im kleinen Kreislauf, infolge deren der Rückfluß des Blutes aus den Lungen, unter Umständen auch aus dem Kopf gehindert ist, wodurch Beängstigung und Kopfschmerz erzeugt werden können. Heftige Hustenbewegungen können auch Unterleibsbrüche, Abortus etc. zur Folge haben. Die Behandlung richtet sich nur selten auf den H. selbst, sondern auf das Grundleiden (s. Bronchialkatarrh). Man gebraucht daher Mittel, die wie die Samen des Fenchels, Anis u. a. die Schleimabsonderung in den Bronchien dünnflüssiger und daher leichter entfernbar machen (Expectorantia), oder bei zu reichlicher Absonderung solche, welche die Sekretion beschränken (Terpentinöl, Kiefernnadelöl in Dampfform). Als Expectorantia wirken auch die Nauseosa, d. h. brechenerregende Mittel (Ipekakuanha, Apomorphin, Senega), wenn sie in kleinen Gaben angewendet werden. Seltener wird man mit narkotischen Mitteln den H. bekämpfen; immer aber wird man alle zu H. führenden Schädlichkeiten (unreine Luft etc.) zu vermeiden haben. Durch reflektorische Reizung des Nervus vagus kann H. entstehen bei Ohrenleiden, Gebärmuttererkrankung etc. Wenn durch Erkrankung der zum H. nötigen Muskeln und Nerven (z. B. bei der Bulbärkernlähmung, bei der Landryschen Paralyse etc.) H. unmöglich wird, entsteht die Gefahr, daß verschluckte Fremdkörper oder Schleim massen nicht aus den Luftwegen entfernt werden können und hier Zersetzung und Entzündung veranlassen. Dadurch, daß Brechmittel auf die Lunge wirken, und daß bei starkem H. Brechen entsteht, war man darauf gekommen, einen Magenhusten anzunehmen, zumal auch der Nervus vagus sowohl in der Lunge als auch in den Magenwandungen sich verbreitet. Einen Magenhusten aber in dem Sinne, daß der H. auch ein Symptom eines Magenleidens sein könne, gibt es nicht. Das Erbrechen bei starkem H. ist eine mechanische Folge der starken Arbeit des Zwerchfelles. H. ist vielmehr immer ein Anzeichen einer Affektion der Luftwege, neben der allerdings oft, besonders bei ältern Leuten, gleichzeitig ein Magenkatarrh besteht, was wohl auch noch zur Ansicht, es gäbe einen Magenhusten, beigetragen haben mag.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 672.
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