Hylozoïsmus

[703] Hylozoïsmus (griech.), die Ansicht, nach der die Materie (Hyle) nicht bloßer, der Empfindung und jedes innern Lebens entbehrender Stoff, sondern ihrem Wesen nach, also überall und immer, belebt und beseelt ist. Der H. nimmt eine Mittelstellung ein zwischen dem Materialismus, der die innern, seelischen Vorgänge überhaupt leugnet oder als Wirkungen materieller Ursachen auffaßt, und dem dualistischen Spiritualismus, der dem Stoffe den Geist als das belebende und beseelende Prinzip gegenüberstellt, indem er Materie und Geist als ursprünglich zusammengehörig und untrennbar verbunden betrachtet. In gewissem Sinne kann schon die rohe mythologische Auffassung der Natur, die den Körpern Gefühl und Willen zuschreibt (s. Anthropomorphismus), als H. bezeichnet werden; in wissenschaftlicher Form ist der H. aber erst als Gegensatz gegen die einseitige mechanisch-materialistische Naturbetrachtung aufgetreten. So legte bereits Empedokles (s. d.) im Gegensatz zu Demokrit, der alles durch die zufälligen Bewegungen toter Atome erklären wollte, den letztern »Haß« und »Liebe« als Ursachen der Abstoßung und Anziehung bei. In der neuern Zeit rief die dualistische Naturphilosophie des Descartes, der selbst die Tiere als seelenlose Maschinen betrachtete, das hylozoistische System Cudworths (s. d.) u. a. hervor. In der Gegenwart endlich ist der H. von Zöllner, Haeckel u. a. erneuert worden, die den Bewegungen der Atome Empfindungen und Gefühle entsprechen lassen. Vgl. Spitzer, Ursprung und Bedeutung des H. (Graz 1881).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 703.
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