Hylozoismus

[440] Hylozoismus (hylê, Stoff,; zôê Leben): Theorie der Stoffbeseelung; Ansicht, nach welcher die Materie als solche schon ursprünglich belebt, beseelt ist; Empfindung, Trieb, ev. auch das Bewußtsein gelten als Eigenschaften der Materie (der Atome, (s. d.)). Der Ausdruck »Hylozoismus« schon bei R. CUDWORTH. Ferner bei KANT: »Der Realismus der Zweckmäßigkeit der Natur ist auch entweder physisch oder hyperphysisch. Der erste gründet die Zwecke in der Natur auf dem Analogon eines nach Absicht handelnden Vermögens, dem Leben der Materie (in ihr, oder auch durch ein belebenden inneres Princip, eine Weltseele), und heißt der Hylozoismus« (Kr. d. Urt. II, § 72). Der Hylozoismus ist nach Kant der »Tod aller Naturphilosophie«.

Hylozoisten sind: THALES, nach welchem der Magnet beseelt ist, weil er das Eisen anzieht (Aristot., De an. I, 2), und der von der Bewegung auf Leben schließt (l.c. I, 5; hypestêsato kai ton koasmon empsychon kai daimonôn plêrê, Diog. L. I, 27); ANAXIMENES, nach welchem die Luft das beseelte Weltprincip ist (Plut., Plac. I, 3, 6), so auch DIOGENES VON APOLLONIA: HRRAKLIT, dem das Weltfeuer zugleich die Weltvernunft ist; die Stoiker, welche im Pneuma (s. d.) die Weltseele erblicken. Erneuert wird der Hylozoismus in der Renaissance-Philosophie bei PARACELSUS, CARDANUS, VAN HELMONT, später bei G. BRUNO, GASSENDI, SPINOZA, bei R. CUDWORTH, F. GLISSON (Tractat. de nat. subst. energ. 1672, p. 90 ff.), H. MORE, der ein »beharrliches Princip« annimmt (Enchir. met. C. 28, § 3), LEIBNIZ (S. Monaden), bei MAUPERTUIS, DIDEROT, ROBINET, BUFFON, GOETHE (WW. XXV, 132 f.), in der Schule SCHELLINGS, bei SCHOPENHAUER, CZOLBE, L. NOIRE, CLIFFORD, ROMANES, ZÖLLNER, NAEGELI (Mechan.-physiol. Theor. d. Abst. S. 597), LOTZE, FECHNER) E. v. HARTMANN, B. WILLE, W. BÖLSCHE u. a. E. HAECKEL erklärt: »Jedes Atom besitzt eine inhärente Summe von Kraft und ist in diesem Sinne beseelt... Lust und Unlust, Begierde und Abneigung, Anziehung und Abstoßung müssen allen Massen-Atomen gemeinsam sein« (Die Perigene(s. d.) Plastid. S. 38 f.). Die »Plastidulen« (belebte Atomcomplexe) haben ein unbewußtes Gedächtnis (ib.). Masse und Äther besitzen Empfindung und Willen, sie »empfinden Lust bei Verdichtung, Unlust bei Spannung; sie streben nach der ersteren und kämpfen gegen letztere« (Welträtsel S. 254 f.; so auch J. G. VOGT).[440] Hylozoist ist auch LE DANTEC (Théor. nouvelle de la vie 1896; Le détermin. biolog. 1897). Vgl. Panpsychismus.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 440-441.
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