Irredénta

[28] Irredénta (Italia irredenta, »das unerlöste Italien«), Bezeichnung für eine Parteibewegung in Italien, welche die Vereinigung aller Italienisch redenden Gebietsteile außerhalb des Königreichs Italien mit diesem erstrebt. Die Bewegung richtet sich also auf die Erwerbung von Südtirol, Görz, Istrien, Triest, dem Kanton Tessin, Nizza, Korsika und Malta, ja auch von Dalmatien, als ehemals venezianischer Besitzung, obwohl dort nur ein Teil der städtischen Bevölkerung Italienisch spricht. Größere Bedeutung erhielt die Agitation 1878, als Österreich auf dem Berliner Kongreß durch den Erwerb Bosniens und der Herzegowina sich den Besitz seiner adriatischen Küstenlande sicherte, während Italien leer ausging. An die Spitze der Bewegung trat Garibaldi, dem sich Radikale, Republikaner und Sozialisten anschlossen. Die Vereinigung richtete zunächst ihr Augenmerk auf die Befreiung von Südtirol (Trentino) und Triest von der sogen. österreichischen Gewaltherrschaft; doch fand sie, obwohl der damalige Ministerpräsident Cairoli sie gewähren ließ, im Volk wenig Anhang und kam über leere Demonstrationen nicht hinaus. Erst als die Okkupation von Tunis Italien zur Annäherung an die Kaisermächte veranlaßte, schritt der neue Ministerpräsident Depretis mit Erfolg gegen die Irredentisten ein. Im August 1882 planten Triester Irredentisten ein Bombenattentat gegen den Kaiser Franz Joseph, die Verschwörung wurde aber rechtzeitig entdeckt und ein Mitglied, Oberdank, ergriffen und hingerichtet. Wie damals der Minister Mancini, so sprachen sich auch später die Leiter der auswärtigen Politik Italiens wiederholt aufs schärfste gegen die I. aus. Seit dem Abschluß des deutsch-österreichisch-italienischen Dreibundes haben sich republikanische und franzosenfreundliche Agitatoren der Bewegung der I. bemächtigt; dennoch verfügt diese im Lande wie im Parlament nur über eine kleine, aber geräuschvolle Minderheit. Vgl. v. Haymerle, Italicae res (Wien 1879).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 28.
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