Klageänderung

[87] Klageänderung (lat. Mutatio libelli) nennt man diejenige Abänderung einer erhobenen Klage, zufolge deren die neue Klage von der alten ihrem Wesen nach verschieden ist. Das Wesen einer Klage wird bestimmt durch den Grund des erhobenen Anspruchs (s. Klage), der auch Klagegrund (s. d.) genannt wird. Eine K. kann in der Änderung des Gegenstandes der Klage wie in der Änderung der Klagegrundes enthalten sein. Nach der deutschen Zivilprozeßordnung liegt eine K. nicht vor, wenn ohne Änderung des Klagegrundes 1) die tatsächlichen oder rechtlichen[87] Anführungen ergänzt oder berichtigt werden; 2) der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder ergänzt wird; 3) statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Änderung ein andrer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird. Von der K. ist daher die bloße Ergänzung der Klage wie die Erweiterung des Klageantrages, durch die ein neuer Anspruch nicht erhoben wird, zu unterscheiden. Nach diesem Gesetzbuch (§ 264) ist in der ersten Instanz eine nach Eintritt der Rechtshängigkeit erfolgende K. nur zulässig, wenn der Beklagte dazu seine Einwilligung gibt oder nach dem Ermessen des Gerichts durch die Änderung die Verteidigung des Beklagten nicht wesentlich erschwert wird. In der Berufungsinstanz ist nach § 527 eine K. nur mit Einwilligung des Gegners gestattet. Früher mußte sie sogar von Amts wegen zurückgewiesen werden. Wenn eine unzulässige K. vorliegt, darf der neue Antrag oder Klagegrund nicht berücksichtigt werden, sondern ist lediglich über dem ursprünglich erhobenen Anspruch in Gemäßheit der in der Klage erhobenen Begründung zu entscheiden, der abgeänderte Anspruch aber zurückzuweisen. – Die Strafprozeßordnung gestattet in § 263–264 eine Veränderung der juristischen Würdigung (Qualifikation) der in der Anklage bezeichneten Tat, solange nur die letztere die nämliche bleibt. Eine eigentliche K. ist unter allen Umständen unstatthaft und von Amts wegen zurückzuweisen. Doch gestattet § 265 der Strafprozeßordnung, daß auf Antrag des Staatsanwalts die Hauptverhandlung und das Urteil noch auf eine weitere Tat des Angeklagten, außer derjenigen, wegen der die Anklage erhoben wurde, ausgedehnt werde, falls der Angeklagte hiergegen keinen Widerspruch erhebt. S. auch Ne bis in idem. Vgl. über K. im Zivilprozeß: Kleinschrod, Über die K. (Erlang. 1879); Bollinger, Zur Revision der Lehre von der K. (Zürich 1886); Rich. Schmidt, Die K. (Leipz. 1888). Wegen K. im Strafprozeß: Stelling, Über Anklagebesserung (Götting. 1866); Glaser, Der Verbrauch der Strafklage nach deutschem Strafprozeßrecht (in Grünhuts »Zeitschrift«, 1885, Bd. 12, S. 303–344); M. Berner, Der Grundsatz des ne bis in idem (Leipz. 1891); Meves, Was will der § 264 der Strafprozeßordnung? (in Goltdammers »Archiv« 1891, Bd. 38).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 87-88.
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