Kollōdium

[270] Kollōdium (Klebäther), eine Lösung von Nitrozellulose (Kollodiumwolle, s. Schießbaumwolle) in alkoholhaltigem Äther. Zur Darstellung der Nitrozellulose weicht man sorgfältig gereinigte Baumwolle (ungeleimte Watte) in schwacher Sodalösung, wäscht sie gut aus und taucht nach dem Trocknen und Zerzupfen der Baumwolle 55 Teile derselben in eine auf 20° erkaltete Mischung von 400 Teilen roher Salpetersäure vom spez. Gew. 1,38–1,40 und 1000 Teilen roher Schwefelsäure von 1,83 und stellt sie 24 Stunden bei 15–20° beiseite. Dann läßt man die Kollodiumwolle 24 Stunden in einem Glastrichter abtropfen, wäscht sie mit sehr viel Wasser, bis alle Säure entfernt ist, und trocknet sie bei 25°. Die Kollodiumwolle (Kolloxylin) gleicht äußerlich der Baumwolle, verpufft bei 150–160° und kann durch Kochen mit Eisenchlorürlösung wieder in gewöhnliche Baumwolle übergeführt werden. Zur Auflösung der Kollodiumwolle schüttelt man 1 Teil derselben mit 3 Teilen Alkohol und 21 Teilen Äther vom spez. Gew. 0,720, läßt absetzen und filtriert durch einen Bausch Baumwolle. Für photographische Zwecke wird eine Kollodiumwolle (Kolloidin) dargestellt, die man nach dem Auswaschen noch mit schwefliger Säure behandelt. K. bildet eine farblose, klare oder schwach opalisierende, sirupartige, neutrale, sehr leicht entzündliche Flüssigkeit, die an der Luft schnell verdunstet und, auf die trockne Haut gestrichen, einen fest haftenden, firnisartigen Überzug hinterläßt, der die betreffende Hautstelle etwas zusammenzieht. Das K. wurde zuerst von Schönbein 1846 dargestellt und zur Wundbehandlung empfohlen. 1850 erfand Le Gray das photographische Kollodiumverfahren. Man benutzt K. gegenwärtig zum Verschließen von Wunden, zum Bedecken wunder Hautstellen, leichter Brandwunden, gichtischer und hämorrhoidaler Anschwellungen, Frostbeulen etc. Um die Kollodiumhaut elastischer zu machen, mischt man 94 Teile K. mit 1 Teil Rizinusöl und 5 Teilen Terpentin (Collodium elasticum). Wenn man Spanische Fliegen mit Äther erschöpft, den Auszug zur Sirupkonsistenz verdampft und dann durch Zusatz von K. auf das Gewicht der angewandten Spanischen Fliegen bringt, so erhält man das blasenziehende K. (Collodium cantharidatum), das ebenso wie Spanischfliegenpflaster[270] auf der Haut eine Blase zieht, vor dem Pflaster aber den Vorzug besitzt, daß es überall appliziert werden und durch die Unruhe der Patienten nicht verschoben werden kann. Die ausgedehnteste Anwendung fand das K. lange Zeit in der Photographie zur Darstellung der negativen Bilder. Bereitet man K. in dicker Schicht auf Glastafeln aus, so kann man das feste Kollodiumhäutchen nachher abziehen und, weil es beim Reiben außerordentlich stark elektrisch wird, vielfach bei elektrischen Apparaten, z. B. als Elektrophor, verwenden. Aus gefärbtem K. dargestellte Häutchen, zwischen galvanoplastisch hergestellten Metallformen gepreßt, liefern ein zartes Material zur Fabrikation künstlicher Blumen. In der Gärtnerei dient das K. häufig als Ersatz für Baumwachs. Kollodiumwolle dient auch zur Darstellung von Zelluloid und Sprenggelatine.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 270-271.
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