Miaotse

[756] Miaotse, die »Urbewohner« des mittlern China, ein den Chinesen stamm- und sprachverwandtes, noch wenig bekanntes Volk in den gebirgigen Teilen der chinesischen Provinzen Sz'tschwan, Kweitschou, Hunan, Hupei, Yünnan, Kwangsi und an den Grenzen von Kwangtung. Sie zerfallen in viele kleine Stämme, die von den Chinesen in Scheng M. (»wilde M.«) und Schuh M. (»unterworfene M.«) eingeteilt werden. Sie sind kleiner, aber kräftiger als die Chinesen, haben schärfer ausgeprägte Gesichtszüge, gerade stehende Augen; beide Geschlechter tragen die Haare in Chignons, die Männer auch einen Turban in lebhaften Farben oder einen kleinen kegelförmigen Hut. Männer wie Weiber bekleiden sich mit leinenen oder wollenen Blusen und Strohsandalen. Heiraten werden nach freier Wahl der jungen Leute geschlossen. Streitigkeiten werden durch ein Schiedsgericht der Alten geschlichtet. Blutrache wird bis ins neunte Glied geübt. Die Sprachen der M. gehören zu den indochinesischen (s. d.) und stehen unter diesen den Taisprachen am nächsten. Ihre Religion ist ein mit Dämonen- und Ahnenkultus durchsetzter Buddhismus. Einige Stämme hängen ihre Toten in Körben an Bäumen auf, andre nehmen die Gebeine alle 2–3 Jahre aus den Gräbern, um sie zu waschen, weil die Gesundheit der Gemeinde davon abhänge. Bei einem der Stämme herrscht auch noch die Sitte des Männerkindbetts (s. d.). Die M. bewohnten ehedem die nördlichern Ebenen, namentlich an den Seen Tungting und Poyang. Schon seit den Anfängen der chinesischen Geschichte mit den Chinesen im Kampf, haben sie diese durch räuberische Einfälle wiederholt (zuletzt 1873) beunruhigt. Vgl. Edkins, The Miautsi tribes (Futschou 1870); Playfair, The Maotzu of Kweichou and Yunnan (in der »China-Review«, Bd. 5, Lond. 1877).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 756.
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