Nishnij Nowgŏrod [2]

[711] Nishnij Nowgŏrod (Nishegorod), Hauptstadt des gleichnamigen russ. Gouvernements (s. oben), liegt malerisch am Einfluß der Oka in die Wolga, an deren rechtem hohen Ufer sie amphitheatralisch sich ausbreitet, 150 m ü. M., und ist Knotenpunkt der Eisenbahnen Moskau-N. und N.-Timirjasewo. Sie besteht aus drei Teilen, der auf drei Bergen gelegenen Oberstadt mit dem Kreml, von wo man eine prachtvolle Aussicht weithin über das linke flache Ufer der Wolga genießt, der Unterstadt am Flußufer und der mit dieser durch eine Pontonbrücke verbundenen Slobode Kunawino, zwischen dem linken Oka- und dem rechten Wolgaufer, wo auf der durch die beiden Flüsse gebildeten Landzunge auch die berühmte Messe stattfindet. Die Stadt hat 68 griechisch-orthodoxe Kirchen, 2 der Altgläubigen, eine römisch-katholische, eine luther. Kirche, 3 Klöster, eine Synagoge und 2 Moscheen. Bemerkenswert darunter sind: die 1221 erbaute Preobrashenskij-Kathedrale, die Kathedrale der Verkündigung Mariä (14. Jahrh.), die Archangelskij-Kathedrale (1222 errichtet, 1620 neugebaut), die Alexejewskaja-Kirche (aus dem 17. Jahrh., 1823 neugebaut) und das Petscherskij-Kloster (14. Jahrh., mit der Himmelfahrtskirche, wundertätigem Marienbild und reicher Bibliothek). Ferner besitzt N. ein geistliches Seminar mit tatarischer Abteilung, das Alexandrowsche Knaben- und das Mariensche Fräuleininstitut, das aus Nowgorod hierher übergeführte Araktschejewsche Kadettenkorps, 3 Gymnasien, eine Real- und eine Kommerzschule, 2 Theater, Salzmagazine, 14 Bankanstalten (darunter die 1870 gegründete Kaufmannsbank), gegen 250 Ambaren (Warenlager) und 6500 Buden für den Meßhandel sowie für die verschiedenen Waren 7 Landungsplätze an den Flüssen, mit einer Gesamtlänge von über 15 km. Die Zahl der Einwohner beträgt (1897) 90,053 (während des Fahrmarkts aber bis 200,000). Die Industrie Nishnij Nowgorods beschränkt sich auf dieselben Zweige wie die im Gouvernement (s. oben). Der Handel, namentlich mit Naphtha, Petroleum, Salz, Getreide, Metall und Fischen, ist blühend. Wasserverbindung besteht durch die Wolga, deren Nebenflüsse und Kanalsysteme mit dem Schwarzen, Baltischen und Kaspischen Meer. Berühmt und eine der wichtigsten Städte Rußlands ist N. durch seinen vom 15. Juli (a. St.) bis zum 10. Sept. dauernden (sogen. Makarjewschen) Jahrmarkt, der den Mittelpunkt des Handels zwischen Europa und Asien bildet. Die Messe wurde 1550 von Iwan dem Grausamen in Makarjew eingerichtet, um die russischen Kaufleute und den Handel von der Messe im tatarischen Arsk (früher im alten Bolgar) abzulenken, und 1817 nach dem Brande dieser Stadt nach N. verlegt. Doch verliert der Jahrmarkt immer mehr an Bedeutung unter dem Einfluß der sich ausdehnenden Verkehrsmittel. Der Wert der dort aufgespeicherten Waren betrug 1857: 86 Mill., 1865: 111,5 Mill., 1881: 246,2 Mill. (Maximum), 1887. 193 Mill., 1890: 181,5 Mill., 1895: 174,4 Mill., 1399: 172 Mill. Rubel. Hauptumsatzartikel sind Manufakturwaren aller Art, insbes. baumwollene (1899 für 56,5 Mill. Rubel) und wollene (17 Mill. Rubel), ferner Rauchwaren und Felle (14 Mill. Rubel), worin die Messe auch heute noch internationale Bedeutung hat, Häute und Leder, Tee, Uralmetalle, chemische Artikel, Galanteriewaren etc. Im Sommer 1896 fand in N. die bisher größte und bedeutendste nationale Ausstellung Rußlands statt. – N. wurde vom Großfürsten Jurij Wsewolodowitsch 1221 als Grenzfestung gegen die Mordwinen angelegt. Seit 1350 die glänzende Residenz der Fürsten von Susdal, wurde es 1392 Moskau einverleibt. N. ist wiederholt von den Mordwinen, Mongolen und den Tataren überfallen und verbrannt worden.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 711.
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