Odin

[905] Odin (nord. Odhinn, althochd. Wuotan, sächs. Wodan), ein allen germanischen Völkern gemeinsamer Gott, dessen Kultus jedoch erst ziemlich spät von den istwäischen Franken zu den übrigen Stämmen sich verbreitete. Nach der nordischen Mythologie ist er der Herrscher über Himmel und Erde, der Gott des Krieges, insbes. des Sieges, und nimmt die gefallenen Helden in seinem himmlischen Palast Walholl auf; der Erfinder der Runen und damit jeglicher Wissenschaft sowie der Weissagung und der Dichtkunst, der Einführer der Opfer, der Gesetzgeber, der Kenner der Religionsgeheimnisse, überhaupt der weiseste unter den Asen, seitdem er aus Mimirs Brunnen getrunken, wofür er (nach der ältern Edda) ein Auge zum Pfand einsetzen mußte, weshalb er einäugig erscheint (s. Mimir). Von ihm und seiner Gemahlin Frigg (s. d.) stammt das Asengeschlecht (daher sein Name Alfadir). Von seiner prächtigen Fensterbank Hlidhskjalf aus überschaut er die ganze Welt. Seine Raben HuginGedanke«) und MuninGedächtnis«) fliegen jeden Tag über das Erdenrund und bringen ihm Nachricht von allem, was sie wahrgenommen. Zwei Wölfe, Geri und Freki, verzehren in Walholl alle dem O. vorgesetzten Speisen, während er selbst nur Wein genießt. O. ist auch der Besitzer des achtfüßigen Hengstes Sleipnir, des Speers Gungnir und des Armrings Draupnir. O. geht zugleich mit der Welt unter, indem er mit dem Wolfe Fenrir kämpft und von diesem verschlungen wird (s. Götterdämmerung). Eine große Rolle spielt O. als Stammvater der nordischen Königsgeschlechter. Der spätere Euhemerismus (Snorri Sturluson) erklärte O. für einen klugen Menschen, der es durch Zauberkünste dahin gebracht habe, daß man ihn als einen Gott verehrte, und die Asen, deren Kultus O. im Norden eingeführt habe, als Asiaten. Vgl. Wodan.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 905.
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