Oléron

[36] Oléron (spr. -ong), franz. Insel im Atlantischen Ozean, gegenüber der Mündung der Charen te und Seudre, zum Depart. Niedercharente gehörig, ist von der Insel Ré und vom Festlande durch die Meerengen Permis d'Antioche und Pertuis Maumusson getrennt, 172 qkm groß, flach und im S. mit bewaldeten Dünen versehen. Haupterzeugnisse sind: Getreide, Hülsenfrüchte, Gemüse, Wein und Obst. Außerdem wird Gewinnung von Seesalz (10,000 Ton.), Seefischerei, Austernzucht und Branntweinbrennerei betrieben. Die Einwohner, (1901) 17,033 an der Zahl, sind großenteils Protestanten und tüchtige Seeleute. Die Insel O., im Altertum Uliarus, gehörte ehedem zu Aquitanien, kam 1370 unter Karl V. zu Frankreich, wurde dann von den Engländern erobert, unter Karl VII. aber diesen wieder genommen und unter Ludwig XIII. befestigt. Sie war im 14.–17. Jahrh. als Lehen im Besitz der Herren von Pons. Die wichtigern Orte auf O. sind: Le Château-d'O., mit Zitadelle, kleinem Hafen, Schiffbau und (1901) 2190 (als Gemeinde 3803) Einw.; St.-Georges-d'O., mit 976 (4285) Einw., und St.-Pierre-d'O., mit Handelsgericht und 1338 (4350) Einw. – Das nach der Insel benannte Oleronische Recht (Charte d'Oléroun, auch Rolles oder Roulles des jugemens d'Oléron) ist eine Privatsammlung der auf germanischer (fränkischer) Grundlage beruhenden Urteile des Seegerichtshofs der Insel O. Die ältere Redaktion (mit 24 Artikeln) gehört wahrscheinlich dem 12. Jahrh. an; dazu kamen später Zusätze; eine weitverbreitete jüngere Redaktion (mit 47 Artikeln) kam laut einem Aktenstück von 1364 in ganz Frankreich zur Anerkennung und erlangte im Westen und Norden Europas für Jahrhunderte nahezu internationale Geltung. Ausgaben besorgten Pardessus (Par. 1828) und Sir Travers Twiß (in den »Monumenta juridica«, Lond. 1871–76).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 36.
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