Pasigraphie

[477] Pasigraphie (griech., »Allgemeinschrift«, auch Polygraphie), die Kunst, sich durch eine allgemeine Schrift- und Zeichensprache ohne Hilfe der Lautsprache, in der Regel aber mit Hilfe von Zahlen, allen Völkern der Erde verständlich zu machen, eine Kunst, die jedoch gewiß weniger Aussicht auf Verwirklichung hat als die Weltsprache (s. d.) im engern Sinne. Die ersten Andeutungen dazu gab I. Tritheim (s. d.) in seinen aber mehr nach der Seite einer Geheimschrift weisenden »Polygraphiae libri VI«, sodann, nachdem sich auch Bacon und Descartes mit der Sache befaßt hatten, G. W. LeibnizDe arte combinatoria«, Leipz. 1666), besonders aber I. Wilkins (gest. 1672) in einem geistreichen »Essay towards a real character and philosophical language« (Lond. 1668). Weiter sind zu nennen D. SolbrigAllgemeine Schrift«, Salzwedel 1726), WolkeErklärung, wie die P. möglich und ausüblich sei«, Dessau 1797), Sicard (»P.«, Par. 1798), Fry (»Pantographia«, Lond. 1799), F. GrotefendCommentatio de P.«, Götting. 1799), Zalkind HourwitzPolygraphie«, Par., Jahr IX), J. M. Schmidt (»P.«, Dillingen 1815), A. Bachmaier (»Pasigraphisches Wörterbuch«, Münch. 1868) u.a. Vgl. J. Damm, Praktische P. (Leipz. 1876). Die Gründe, die gegen eine allgemeine Anwendbarkeit irgendeines wirklich durchaus von der Lautsprache unabhängig machenden Systems sprechen (in den angeführten Schriften ist dieses Prinzip nicht immer streng festgehalten worden), sind bereits von S. Vater (»P. und Antipasigraphie«, Weißenfels u. Leipz. 1799) in klarer Weise geltend gemacht worden; dagegen läßt sich nicht leugnen, daß für gewisse Sonderzwecke, die der Logik, Mathematik, Grammatik etc., eine allgemeinverständliche »Begriffsschrift« möglich und wünschenswert ist; Versuche zu einer solchen liegen außer in dem grandiosen Plan einer »Allgemeinen Charakteristik« von Leibniz z. B. in dem Versuch von G. Frege (»Begriffsschrift«, Halle 1879) vor. Einen durchaus andern Sinn gewinnt das Wort P. auch, wenn darunter die für die Lautlehre (s. d.) wichtigen Versuche verstanden werden, ein allgemeines Alphabet zu begründen, durch das sich alle in irgendeiner Sprache vorkommenden Laute ausdrücken lassen, Versuche, die dann z. T. auch der Weltsprache (s. d.) dienstbar gemacht werden können.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 477.
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