Tangentenbussole

[307] Tangentenbussole, Vorrichtung zur Messung der Stärke eines galvanischen Stromes durch die Ablenkung einer Magnetnadel. Sie besteht (s. Abbildung) aus einem kreisförmig gebogenen Kupferstreifen o, dessen geradlinig nach abwärts gebogene Enden ab und cd unten mit Klemmschrauben zur Aufnahme der von den Polen einer galvanischen Batterie kommenden Drähte versehen sind.

Tangentenbussole.
Tangentenbussole.

Im Mittelpunkt des kupfernen Ringes schwebt auf einer Spitze inmitten eines in Grade geteilten Kreises eine Magnetnadel, deren Länge im Vergleich zum Durchmesser des Ringes klein ist; hierdurch wird erreicht, daß die ablenkende Kraft des Stromes auf die abgelenkte Nadel nahezu mit der gleichen Stärke wirkt wie in der Ruhelage. Der Ring kann in seinem Fußgestell so gedreht werden, daß seine Ebene mit der Magnetnadel in ihrer Ruhelage (d. h. mit dem magnetischen Meridian) zusammenfällt. Sobald nun ein galvanischer Strom durch den Kupferring geht, wird die Nadel aus ihrer Ruhelage so weit abgelenkt, bis das Drehungsbestreben der erdmagnetischen Kraft, welche die Nadel in die Ebene des Ringes zurückführen will, demjenigen des galvanischen Stromes, der sie senkrecht zu dieser Ebene zu stellen strebt, das Gleichgewicht hält. Da die Wirkung des Erdmagnetismus auf ein und dieselbe Magnetnadel als unveränderlich angesehen werden kann, so läßt sich aus den Ablenkungen, die verschiedene Ströme hervorbringen, auf die Stärke dieser Ströme schließen, und zwar ergibt sich aus obiger Gleichgewichtsbedingung, daß die Stromstärken sich verhalten wie die trigonometrischen Tangenten der Ablenkungswinkel. Man erhält die Stromstärke in absolutem Maß, wenn man die Tangente des Ablenkungswinkels mit dem Radius des stromführenden Kreises (in Zentimetern), in dessen Mitte die Magnetnadel schwebt, sowie mit der in absolutem Maß ausgedrückten Horizontalintensität des Erdmagnetismus multipliziert und durch die Zahl 2π dividiert. Das Zehnfache ist die Stromstärke in Ampere. Zur Messung sehr starker Ströme, für die sich die T. nicht eignet, hat Obach sie derart abgeändert, daß der mit einem Kupferband oder mit Drahtwindungen belegte Ring um eine mit der Ruhelage der Magnetnadel zusammenfallende horizontale Achse gedreht und der dem Ring erteilte Neigungswinkel gegen die Vertikale an einem Teilkreis abgelesen werden kann. Die Nadel wird nicht auf einer Spitze balanciert, sondern, um das bei stärkerm Neigen des Ringes eintretende Kippen zu vermeiden, mit einer in zwei Lagern drehbaren vertikalen Achse versehen. Die auf die Nadel ausgeübte Richtkraft des Stromes wird durch diese Einrichtung in dem Verhältnis von 1 zu dem Sinus des Neigungswinkels verringert. Man findet demnach die Stärke des Stromes, wenn man die wie gewöhnlich aus dem Ablenkungswinkel berechnete verringerte Stromstärke durch den Sinus des Neigungswinkels dividiert. Macht man den Ring um seine vertikale Achse drehbar und dreht ihn der abgelenkten Nadel nach, bis sie wieder auf dem Nullpunkt der Teilung einsteht, so ist die Stromstärke des Winkels, um den die Nadel abgelenkt ist, proportional. Dieser Winkel wird an einem horizontalen, mit dem Stativ fest verbundenen Teilkreis abgelesen. Ein so eingerichtetes Instrument heißt Sinusbussole.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 307.
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