Tangente

[306] Tangente (lat., »Berührende« oder Berührungslinie) einer krummen Linie oder Kurve (s. d.) heißt jede Gerade, welche die Kurve in einem Punkte so schneidet, daß in diesem Punkte zwei Schnittpunkte der Geraden und der Kurve zusammenfallen. Man sagt dann, daß die T. die Kurve in diesem Punkte (dem Berührungspunkte) berührt.

Tabelle

Die T., die eine gegebene Kurve (s. Figur) in einem gegebenen Punkte A berührt, findet man, indem man durch A eine Gerade AB nach einem andern Punkte B der Kurve zieht und dann B auf der Kurve nach A hin wandern läßt. Je näher B dem A kommt (in der Figur sind vier aufeinanderfolgende Lagen B, B1, B2, B3 von B angegeben), um so näher kommt die Gerade AB einer gewissen Grenzlage AC, die sie schließlich erreicht, wenn B mit A zusammenfällt. Bezieht man eine ebene Kurve auf zwei zueinander senkrechte Koordinatenachsen (s. Koordinaten), so nennt man Subtangente des Punktes A das Stück der Abszissenachse, das von der zu A gehörigen T. und von der durch A gezogenen Parallelen zur Ordinatenachse begrenzt wird. T. einer krummen Fläche in dem Punkte A heißt jede Gerade, welche die Fläche in A so schneidet, daß in A zwei Schnittpunkte der Geraden und der Fläche zusammenfallen, oder, was dasselbe ist, jede Gerade, die eine auf der Fläche liegende und durch A gehende Kurve in dem Punkt A berührt. Die zu einem Punkt A der [306] Fläche gehörigen Tangenten liegen alle in einer Ebene, von der man sagt, daß sie die Fläche in A berührt, und die man die zu A gehörige Tangentialebene der Fläche nennt. Beim Kreise steht die T. stets senkrecht auf dem Halbmesser, der nach dem Berührungspunkt geht; dasselbe gilt bei der Kugel von der Tangentialebene. – In der Trigonometrie bezeichnet man als T. eines Winkels den Bruch, dessen Zähler der Sinus und dessen Nenner der Kosinus des Winkels ist. – Beim alten Klavichord hießen Tangenten die auf den hintern Tastenenden stehenden Metallzungen, welche die Saiten nicht anriffen, wie die Federposen des Kielflügels, sondern nur streiften (tangierten), daher auf eine ähnliche Weise tonerzeugend wirkten wie der Bogen der Streichinstrumente (s. Klavier, S. 101).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 306-307.
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