Tigré

[551] Tigré (Tigrié), nördlicher Teil Abessiniens (s. Karte »Ägypten«), mit vorläufig nicht bestimmter östlicher Grenze gegen ital. Erythräa hin, durch den Takaseh von Amhara getrennt, bildete zeitweilig ein eignes Reich und umfaßt die jetzt zu Erythräa gehörigen Landschaften Hamasen mit Asmara, Saraë mit dem Hauptort Adi Ugri, Okule-Kussai (Acchele Cusai) mit dem strategisch wichtigen Saganeiti, ferner die zu Abessinien gehörenden Landschaften Agamé mit Adigrat, das eigentliche T. mit Adúa, Enderta mit Makalé und Antalo, Lasta mit Sokota u. a. Das durchschnittlich 2000 m hohe Plateau stürzt nach O. steil, nach N. in Terrassen ab, senkt sich nach W. und wird im S. von tiefen Talschluchten zerrissen. Über ihm erheben sich ansehnliche Gebirgssysteme mit hohen Gipfeln (Alequa 3375, Semajata 3092 m) und zahlreiche vereinzelte, 2–3000 m hohe Kegelberge (Amba). Nach Erythräa führen der Tarantapaß (nach Massaua) und der Senafepaß (nach Hamfila). Die Tigré (nach einigen semitische Kaukasier), fast sämtlich koptische Christen, unterscheiden sich von ihren südlichen Nachbarn, den Amhara, durch hellere Hautfarbe und die Sprache. Hauptort ist Adua (s. d.) mit 3000 Einw., Durchgangspunkt für den Verkehr vom Meere nach Amhara. Weberei von Baumwollenstoffen ist das einzige industrielle Produkt von Bedeutung. – Die Tigré-Sprache stammt zwar wie das Amharische in Abessinien von dem Altäthiopischen (Geez) ab und wird wie dieses mit dem äthiopischen Alphabet geschrieben, ist aber von dem Amharischen wesentlich verschieden. Von dem T., das hauptsächlich von einem Teile der Bogos (Bilin und Beni Amer, den Monsa) und andern rohen Stämmen nördlich von Abessinien gesprochen wird, unterscheidet man meistens das nahe damit verwandte Tigriña (Tigrinja) oder Tigrai in T. selbst. Grammatiken des Tigrina lieferten Prätorius (Halle 1871) und SchreiberManuel de la langue Tigraï«, Wien 1887), eine Elementargrammatik und ein Wörterbuch Vito (Rom 1895), ein Tigré-Vokabular Munzinger (Leipz. 1865), Handbücher des Tigré Perini (Rom 1893) und Camperio (Mail. 1894). Tigré-Texte veröffentlichte Nöldeke im 4. Bande der »Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes« (1890). Tigriña und Tigré sind semitische Sprachen, aber durch den hamitischen (ägyptischen) Sprachtypus stark beeinflußt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 551.
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