[609] Tonmalerei, die Ausbeutung der Fähigkeit der Musik, im Hörer bestimmte Ideenassoziationen zu wecken, sei es unmittelbar durch stilisierte Nachbildung von Schallerscheinungen (Donner, Sturmgeheul etc.) oder adäquate, hörbare Nachahmung des Sichtbaren (Steigen, Fallen, Hellerwerden, Dunklerwerden) oder bedeutsame Anwendung gewisser Rhythmen (Tanz, Marsch) und isoliertes Hervortreten gewisser Instrumente (Oboe, Englischhorn oder Klarinette für das Ländliche, Pastorale [Hirtenschalmei], Trompete für das Kriegerische, Horn für Wald und Jagd, Posaune für das Kirchliche) oder aber (was minder äußerlich und ästhetisch höher anzuschlagen ist) durch bewußte Nachbildung von Stimmungen und Affekten mittels der Analogie der Bewegungsformen (zorniges Ausfahren, kraftloses Zusammensinken, schmeichelndes Flehen, träumerisches Sinnen etc.) zur Charakterisierung bestimmter Personen, ja zur musikalischen Darstellung von dramatischen Verwickelungen und Lösungen, wodurch die Musik anstatt (was ihre erste und höchste Aufgabe ist und bleiben muß) direkter Ausdruck der Stimmung des Komponisten, also subjektiver Ausdruck zu sein, zum Ausdruck der Stimmung eines vorgestellten Subjekts wird. Die T. ist uralt (585 v. Chr. siegte Sakadas bei den pythischen Spielen durch einen Nomos, der auf dem Aulos den Kampf Apollons mit dem Drachen Python darstellte), und kein Komponist kann sich ihrer ganz entschlagen, besonders wenn sich die Musik mit andern Künsten (Dichtkunst, Mimik) verbindet, wo Charakteristik von ihr gefordert werden muß. Vgl. Programmusik.
Meyers-1905: Tonmalerei [2]