Verbrecheralbum

[37] Verbrecheralbum, eine auf Alphonse Bertillon (s. d. 2) zurückführende Einrichtung, die den Zweck hat, rückfällige Verbrecher, die falschen Namen angeben, zu erkennen. Jeder eingelieferte Verbrecher wird von der Behörde nach bestimmten Regeln (s. Bertillonsches System) gemessen und dann photographiert. Die Photographien werden systematisch in Gruppen geteilt. Zuerst in drei Gruppen nach der Länge des Kopfes (große, mittlere und geringe Kopflänge). Jede dieser drei Gruppen wieder in drei Gruppen nach großer, mittlerer und geringerer Kopfbreite, jede dieser in drei Gruppen mit großem, mittellangem und kleinem Mittelfinger, diese wieder nach drei Längen des Fußes, die neuen nach drei Längen des Unterarmes, diese wieder nach der ganzen Gestaltsgröße. So entsteht immer eine kleinere Gruppe. Wird nun ein Verbrecher eingeliefert, so wird durch Messung festgestellt, in welche Gruppe er gehört, dann nach Augenfarbe, Länge des kleinen Fingers, der Spannweite der Arme oder der Höhe der Büste konstatiert. Es ist so möglich, aus dem Album zu erkennen, ob man es mit einem rückfälligen Verbrecher zu tun hat. Als Ergänzung dient das sogen. portrait parlé, das gesprochene Bild, eine gleichfalls von Bertillon erfundene Beschreibungsmethode, die nicht, wie in den Steckbriefen üblich, den Gesamteindruck des Gesichts beschreibt, sondern die Formen, Dimensionen und Richtungslinien der einzelnen Elemente des Gesichts untersucht und die dann unter Anwendung eines eigens hierzu geschaffenen Wörterbuches notiert werden. An der Hand einer siebenteiligen Stufenleiter der Begriffe klein, mittel, groß werden alle Gesichtselemente, wie Stirne, Nase, Mund, Ohren, eingeteilt und diese Methode dann auf das Einzelindividuum angewandt. Auf diese Weise erhält man ein so genaues geschriebenes Bild des betreffenden Individuums, daß der Kenner dieser Methode mit Leichtigkeit sowohl eine Person als auch ein Bild sofort als das beschriebene erkennt. Bertillon hält in Paris alljährlich einen 40–50 Stunden umfassenden Unterricht ab, nach dessen Schluß ein Examen abgehalten wird, das stets zeigt, daß dieser kurze Unterricht völlig genügt, um die Methode sicher anwenden zu können. Vgl. Bertillon-Reiß, Das Portrait parlé (in der Zeitschrift »Das Recht«, 1906, S. 1 ff. und S. 401 ff.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 37.
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