Vesta

[126] Vesta, die der griech. Hestia (s. d.) in Namen wie Wesen entsprechende italische Göttin des Herdfeuers, die wie jene neben Verehrung auf dem Hausherd noch einen besondern Staatskult hatte. In dem kleinen Rundtempel der V., am Fuße des Palatinischen Hügels, der als Mittelpunkt der Stadt galt, stand kein Bild der Göttin, sondern der Staatsherd mit dem ewigen, zur Bereitung der Staatsopfer bestimmten Feuer, dessen Erhaltung Hauptobliegenheit der Vestalinnen (s. d.) war. Jeden 1. März wurde es erneuert; sein Erlöschen galt für ein großes Staatsunglück, und die schuldige Vestalin wurde vom Pontifex gegeißelt; nen entzündet wurde es in uralter Weise durch Reiben eines Holzstückes von einem fruchttragenden Baum. In ihrem Dienst durfte nur Quellwasser gebraucht werden, das die Vestalinnen zu früher Zeit selbst aus dem Quell der Egeria holten, und einfaches Tongeschirr. Im Innern des Tempels befand sich der Penus (die Vorratskammer) Vestae, ein mit Teppichen verhängtes Allerheiligstes, in dem sich neben andern geheimen Heiligtümern das angebliche troische Palladium (s. d., S. 334) befinden sollte. Diesen Raum durften nur die Vestalinnen und der Pontifex betreten, den Tempel auch Frauen in den Tagen vom 7.–15. Juni, wo die große Tempelreinigung vorgenommen[126] wurde. An ihrem Staatsfest, den Vestalia, 9. Juni, brachten ihr die Matronen Speisopfer dar; auch Müller und Bäcker hielten zur Erinnerung an die Zeit, wo der Herd auch zum Brotbacken diente, Feiertag. Als Göttin des Opferfeuers wurde V. wie Janus bei jedem Gottesdienst mit verehrt und, wie jener zuerst, so sie zuletzt genannt. Während ihr Privatkult später hinter den Penaten zurücktrat, blieb ihre Stellung als Hauptvertreterin der altrömischen Religion bis in die letzten Zeiten des Heidentums unangetastet. Über ihre Darstellung in der Kunst vgl. Hestia. Vgl. Preuner, Hestia-Vesta (Tübing. 1864).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 126-127.
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