Zeitmessung

[871] Zeitmessung (Chronometrie). Jede regelmäßige Aufeinanderfolge von Ereignissen eignet sich zum Einteilen und Messen der Zeit, und die Natur bietet in der scheinbaren Bewegung der Sonne, der monatlichen Bewegung des Mondes um die Erde mit seinen wöchentlichen Phasen sowie in der scheinbaren Drehung des Fixsternhimmels um unsern irdischen Standpunkt Maßstäbe, die schon im Altertum benutzt worden sind. Beobachtete man von einem festen Punkt aus das Verschwinden eines Fixsterns hinter einer senkrechten Wand, so erhielt man bis zur Wiederkehr dieses Ereignisses den Sterntag und die danach berechnete Sternzeit. Benutzte man in gleicher Weise die Sonne, so erhielt man Sonnentage, die aber etwas länger als die Sterntage sind und unter sich nicht von gleicher Länge, indem sich die Erde in ihrer elliptischen Bahn um die Sonne bald schneller, bald langsamer bewegt und ihr Fortrücken nicht in der Ebene des Äquators, sondern in der Ekliptik erfolgt. Nichtsdestoweniger wurde die Sonne der Maßstab für die Zeit, und ihr Lauf führte ohne weiteres zur Teilung des Tages in 24 Stunden, die man von Sonnenaufgang zu zählen begann. Die Tagesmitte ermittelte man mit Hilfe des Gnomons, indem man den Moment beobachtete, in dem ein auf ebener Fläche aufgestellter Stab oder eine hohe vertikale Säule den kürzesten Schatten warf. Hieraus entwickelte sich die Sonnenuhr, vor deren Erfindung der Sonnenring benutzt wurde, der unter Berücksichtigung der Monatseinteilung eine Stundenmessung bei Sonnenschein zuließ. Praktische Bedürfnisse und die zeitweise Bewölkung des Himmels führten dann zur Erfindung von Vorrichtungen, die eine Z. unabhängig von jedesmaliger Sonnenbeobachtung gestatteten. Die alten Ägypter verehrten in ihren Tempeln den Hamadryas oder Mantelpavian, den die astronomischen Darstellungen in deutlichster Beziehung[871] zum Mond zeigen. Trismegistos soll das täglich zwölfmalige, in gleichen Zeitabständen erfolgende Wasserabschlagen am Hamadryas beobachtet haben, dies habe ihn auf die Erfindung eines Werkzeugs geführt, das ein Gleiches getan, und daher stamme die Einteilung des Tages in 12 Stunden. Der Wasseruhr schloß sich die Sanduhr an und dieser die Räderuhr, die durch das Pendel eine große Vollkommenheit erreichte. Im Mittelalter hat man zu ungefährer Zeitbestimmung auch Kerzen von bestimmter Länge und Dicke benutzt, die aber nur wenig genaue Resultate geben können. Alle künstlichen Uhren mußten mittags auf Sonnenzeit gestellt werden, wenn sie im Laufe des Tages Stunden und Minuten richtig angeben sollten. Die Vervollkommnung der Räderuhren veranlaßte aber die englischen Astronomen um die Mitte des 18. Jahrh., statt der wahren Sonnenzeit die mittlere Sonnenzeit einzuführen, und diese ergab so viele Vorzüge, auch für das bürgerliche Leben, daß sie bald allgemein eingeführt wurde. Die neueste Zeit hat die Zeitmikrometrie ausgebildet, und man hat Chronoskope, die 1/400000 Sekunde zu messen gestatten.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 871-872.
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