Chronoskop

[132] Chronoskop (griech., »Zeitseher«), Instrument zur genauen Messung eines sehr kleinen Zeitabschnitts, während der sich ein gewisser Vorgang vollzieht, namentlich ein Instrument zur Bestimmung der Geschwindigkeiten von Geschossen. Diese Instrumente werden häufig auch Chronographen (s.d.) genannt, obgleich es sich bei denselben meistens nicht um die dauernde Registrierung von Zeitabschnitten handelt. Das erste C. rührt von Winnerl (1831) her, der ein Uhrwerk mit zwei Sekundenzeigern benutzte, von denen der eine, auf Null eingestellte durch Druck auf einen Knopf eingerückt wird und mitgeht, bis er durch abermaligen Druck auf einen Knopf gehemmt wird. Bei Fouchers C. hat der Sekundenzeiger an seiner Spitze ein kleines Farbengefäß, durch das beim Druck[132] auf einen Knopf ein mit dem Sekundenzeiger umgehender Stift dringt, der auf dem Zifferblatt einen Punkt macht. Ein zweiter Druck markiert das Ende des Vorganges. Bei dem von Wheatstone (1340) angegebenen Apparat durchläuft der Strom einer elektrischen Batterie A (Fig. 1) den Elektromagnet B, dessen Anker b, solange er angezogen wird, ein Uhrwerk C hemmt. Wird der Strom unterbrochen, so zieht eine Feder den Anker ab, und das Uhrwerk kommt in Gang, bis der Strom von neuem geschlossen wird. Nun läuft ein Draht c von der Batterie dicht vor der Mündung des Geschützes vorbei zum Elektromagnet und schließt mithin den Strom.

Fig. 1. Wheatstones Chronoskop.
Fig. 1. Wheatstones Chronoskop.

Wird das Geschütz abgefeuert, so zerreißt der Draht, das Uhrwerk kommt in Gang. In dem Moment aber, wo die Kugel das Ziel berührt, stellt ein Metallstückchen E die Verbindung zwischen zwei Drähten c' und a her, wodurch der Strom von neuem geschlossen und das Uhrwerk angehalten wird. Man liest dann unmittelbar die Zeit ab, welche die Kugel zum Durchlaufen der Strecke brauchte. Hipps C. besteht aus einem Uhrwerk mit zwei Zifferblättern, die Hundertstel und Tausendstel einer Sekunde angeben und durch einen Elektromagnet außer Verbindung mit dem immerfort gehenden Uhrwerk gesetzt werden, sobald der Strom geschlossen wird. Wird aber dieser Strom geöffnet, so kommen die Zeiger auch wieder in Verbindung mit dem Uhrwerk und bewegen sich weiter.

Das C. von Pouillet (1841) beruht darauf, daß die Größe des Ausschlags einer Multiplikatornadel durch einen auf sie wirkenden Strom abhängig ist von der Stärke dieses Stromes, aber auch von der Zeit, während der er auf die Nadel wirkt, wenn dieselbe überhaupt nur klein ist. Aus dem unter verschiedenen Umständen erfolgenden Ausschlag schließt man auf die Zeit, wenn immer ein gleichstarker Strom angewendet wird und das Verhältnis zwischen Zeit und Ausschlag bekannt ist. Bei Anwendung dieses Verfahrens für ballistische Zwecke wird ein Strom durch die den Lauf des Geschützes verlassende Kugel geschlossen und erst in dem Moment wieder geöffnet, in dem die Kugel ihr Ziel erreicht. Diese Methode ist von Helmholtz wesentlich vervollkommt worden, erfordert aber sehr gute und fest aufgestellte Apparate und geübte Beobachter. Das Navezsche elektroballistische Pendel (vgl. Navez, Sur l'appareil électroballistique, Par. 1859) besteht aus einem Pendel, mit dem ein über einer Kreisteilung laufender Zeiger verbunden ist. Das Pendel wird bis auf den Anfangspunkt seiner Bewegung erhoben und in dieser Stellung, bei welcher der Zeiger auf Null steht, durch einen Elektromagnet festgehalten. Wird durch die den Lauf verlassende Kugel der elekirische Strom geöffnet, so fällt das Pendel ab, und mit ihm bewegt sich der Zeiger. Sobald aber die Kugel das Ziel berührt, schließt sie einen Strom, der auf einen Elektromagnet wirkt und den Zeiger sofort anhält. Der von dem Pendel durchlaufene Weg ergibt dann direkt die gesuchte Zeit. Ein andres, von Le BoulengéChronographe électro-ballistique«, 1864 und 1869; vgl. Kuhn, Über den elektroballistischen Chronographen von Le Boulengé, in Dinglers »Polytechnischem Journal«, Bd. 179) angegebenes C. steht dem Apparat von Navez sehr nahe und kann als elektromagnetischer Fallapparat für ballistische Zwecke (Flugzeitmesser) bezeichnet werden. Man berechnet das zu bestimmende Zeitintervall aus der während desselben zurückgelegten Fallhöhe. Später benutzte Le Boulengé das auf elektromagnetischem Wege geregelte Ausfließen einer Flüssigkeit als C., indem er die Zeit aus dem Gewicht der Ausflußmenge bestimmte, die er während der zu messenden Intervalle erhalten hatte (elektrischer Klepsyder). Mittels des Chronoskops von Bashforth und Martin de Brettes kann die Geschwindigkeit des Geschosses an vielen Stellen seiner Bahn bestimmt werden. Noble mißt die Geschoßgeschwindigkeit innerhalb des Rohres: in die Wandung des Geschützrohrs werden nämlich eine Reihe von Zylindern senkrecht zur Geschützachse so eingeschraubt, daß sie bis in die Seele hineinragen und hier mit Scharnierklappen versehen werden können. Das Geschoß drückt auf seinem Lauf eine Klappe nach der andern nieder, zerschneidet auf diese Weise in jedem Zylinder einen Draht und unterbricht dadurch ebenso viele galvanische Ströme, die mit Chronographen in Verbindung stehen. Auch die Schwingungszahl einer Stimmgabel wird benutzt, um kleine Zeiträume zu messen, so bei den Vibrations-Chronoskopen von Babo, Beetz, Depretz, Sébert (Velozimeter) und Fr. I. Smith.

Fig. 2. Tertienuhr mit doppelter Arretiervorrichtung und Nullstellung nebst Auslösungsapparat.
Fig. 2. Tertienuhr mit doppelter Arretiervorrichtung und Nullstellung nebst Auslösungsapparat.

Der letztere, der aus Anlaß einer Untersuchung über Explosionen konstruiert wurde, hat die Aufgabe, eine große Zahl von Ereignissen, die sehr rasch aufeinander folgen, zeitlich zu fixieren. Das C. von C. W. Schmidt, das namentlich in der französischen Armee gebraucht wird, mißt die gesuchte Zeit durch die Schwingung einer aus nichtmagnetischem Metall hergestellten Chronometer-Unruhe, mit der ein Zeiger verbunden ist, der durch Unterbrechung elektrischer Ströme in Bewegung gesetzt und angehalten werden kann. Die Löbnersche Tertienuhr mit doppelter Arretiervorrichtung (Fig. 2) hat drei Zifferblätter mit je einem Zeiger, der die Minuten, die Sekunden und die 1/100 Sekunden angibt. Durch den Druck eines Knopfes wird das Uhrwerk in Gang gesetzt, durch einen zweiten Druck auf denselben Knopf[133] bleiben die Zeiger stehen; die verflossene Zeit wird auf den Zifferblättern auf 1/100 Sekunde genau angezeigt. Ein zweiter Knopf bringt beim Drücken die Zeiger wieder auf die Nullstellung.

Die Löbnersche Tausendstelsekundenuhr (Figur 3) kann in Verbindung mit einem photographischen Apparat Zeitintervalle bis zu 1/1000 Sekunde messen. Sie hat ein Zifferblatt von 3 m Durchmesser; das an seinem äußern Kreis in 360, an dem innern in 200 Teile eingeteilt ist, über die sich ein Zeiger bewegt. Jeder Teilstrich der innern Einteilung entspricht 0,001 Sekunde. Die Bewegung des Zeigers kann mit bloßem Auge nicht verfolgt werden, weil seine Spitze in einer Sekunde 45 m zurücklegt; darum findet die Feststellung der Zeit mittels eines photographischen Apparats statt, der 2880 Aufnahmen in einer Sekunde zu machen gestattet.

Fig. Tausendstelsejundenuhr
Fig. Tausendstelsejundenuhr

Auf den aufgenommenen Bildern wird die Stellung des Zeigers auf dem Zifferblatt abgelesen und gleichzeitig der Punkt festgestellt, wo sich der zu beobachtende Gegenstand, z. B. ein fliegendes Geschoß, in den verschiedenen Momenten der Aufnahme befand. Vgl. Saunier, Lehrbuch der Uhrmacherei (deutsch von Großmann, 2. Aufl., Bautzen 1891–92, 3 Bde. mit Atlas und Ergänzungsband).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 132-134.
Lizenz:
Faksimiles:
132 | 133 | 134
Kategorien:

Buchempfehlung

L'Arronge, Adolph

Hasemann's Töchter. Volksstück in 4 Akten

Hasemann's Töchter. Volksstück in 4 Akten

Als leichte Unterhaltung verhohlene Gesellschaftskritik

78 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon