Accent

[69] Accent (v. lat.), 1) Hebung u. Senkung der Laute durch die Stimme; entweder von mechanischen od. oratorischen Ursachen herrührend, u. daher grammatischer od. Wort-, u. oratorischer od. Rede-A.; 2) Zeichen dieser Betonung. Der grammatische od. Wort-A., als Bezeichnung des Tons, mit welchem eine Sylbe ausgesprochen werden soll, wird in lebenden Sprachen gewöhnlich nicht geschrieben; auch in der Schreibung der griechischen Sprache, wo die A-e jetzt am gewöhnlichsten sind, wurden sie erst im 3. Jahrh. v. Chr., als die richtige Betonung in Gefahr kam, verloren zu gehen, von dem alexandrin. Grammatiker Aristophanes erfunden. Die griech. Sprache hat 3 A-e: Accentus gravis (`), den eigentlich jede tiefer ausgesprochene, nicht betonte Silbe hat, der aber nicht geschrieben wird; A. acutus ('), der eigentlich den scharfen Ton der Sylbe anzeigt, steht auf einer der 3 letzten Sylben des Wortes, u. nimmt, wenn er auf der letzten Sylbe des Wortes steht, die Gestalt des Gravis (`) an, ausgenommen vor einer großen Interpunction u. wenn enklitische Wörter ihren A. zurücklegen; A. circumflex (früher ^ dann ~) die Dehnung der Sylbe anzeigend. Die Wörter an sich haben, je nachdem sie den A. auf einer der 3 A-sylben haben, verschiedene Namen; das Wort ist: Barytonon, dessen letzte Sylbe keinen A. hat, z.B. πράγμα, πράγματα, τύπτω; Oxytonon, wenn die letzte Sylbe den Acut, z.B. ϑεός, u. Perispomenon, wenn sie den Circumflex hat, z.B. φιλώ; ein Barytonon mit dem Acut auf der vorletzten Sylbe, heißt Paroxytonon (z.B. τύπ τω), mit demselben auf der drittletzten, Proparoxytonon (z.B. ἔτυπτον), mit dem Circumflex auf der vorletzten, Properispomenon (z.B. φιλούσα). Einsylbige Barytona sind also ganz accentlose Wörter (Atona, z.B. ό, εἰ). Im Satze heißt das Wort, welches seinen gehörigen A. hat, ein Ortholonon, im Gegensatz zu dem Enklitikon, welches seinen Ton auf das vorhergehende Wort zurücklegt. Auch das Neugriechische wird jetzt mit A-en geschrieben. In lateinischen Büchern werden die A-e nicht geschrieben, u. die Römer selbst schrieben sie nur beim Unterrichte. In den romanischen Sprachen u. zwar im Französischen gibt es auch 3 A-e: der Accent aigu (´) bezeichnet die scharfe Betonung des Vocals (e); der A. grave (`) auf e die sich dem ä nähernde Aussprache ohne Dehnung, auf a (à, là) die schnelle Aussprache; der A. circonflexe (^) bezeichnet die Dehnung des Vocals. Im Italienischen, wo übrigens der Ton bis auf die 6. Sylbe vom Ende zurückgelegt werden kann, gibt es 2 A-e: Accento grave (') u. A. acuto ('), beide bezeichnen die Schärfung des Vocals u. sind nur so verschieden, daß der grave nur auf der letzten, der acuto auf den übrigen Sylben steht. In der italien. Sprache führten erst die Buchdrucker Manucius im 16. Jahrh. den regelmäßigen Gebrauch der A-e ein, u. Neri Dortellata in Florenz bezeichnete in mehrern von ihm gedruckten Büchern alle Wörter mit ihrem gehörigen A., aber er fand keine Nachahmer. Im Spanischen werden sehr selten A-e, u. zwar nur der Acut (´) gebraucht, meist um Zweideutigkeiten zu vermeiden. In den slavischen Sprachen, u. zwar im Russischen werden die A-e, Acutus u. Gravis, nur in den kirchlichen Ritualbüchern u. in der Bibel gebraucht, auch in grammatischen u. lexikalischen Büchern; sonst nur, um verschiedene Formen zu unterscheiden. Der Unterschied der beiden A-e ist wie im Griechischen. Im Serbischen werden A-e nur in grammatischen Büchern gebraucht, u. zwar folgende 4: das Zeichen ` bezeichnet die Schärfung der Sylbe; das Zeichen ´, wo die Sylbe ohne Hebung gerad ausgesprochen wird; das Zeichen ^ (Kamora) steht auf Sylben, wo der Ton rund ausgeht; das Zeichen auf gedehnten Vocalen. Im Polnischen ist der A. nicht Ton-, sondern Quantitätszeichen, denn er dient, wie im Ungarischen, zur Unterscheidung des langen von dem kurzen Vocale. Im Sanskrit sind die A-e nicht Betonungszeichen, sondern in den Vedas die Zeichen für Höhe u. Tiefe der Stimme, womit die Vocale ausgesprochen u. gesungen werden sollen; vgl. Böhtlingk, Über den A. im Sanskrit, Petersb. 1843. In den semitischen Sprachen im Hebräischen entstanden die A-e im Text der heil. Schrift gleichzeitig mit den Vocalen, zwischen dem 6. u. 8. Jahrh. durch jüdische Gelehrte; sie sind hier nicht blos Ton-, sondern auch Interpunctionszeichen. Als Tonzeichen stehen sie entweder über od. unter dem ersten Consonanten der Sylbe, welche den Ton hat (s. u. Interpunction). Da in grammatischen Schriften oft ein Zeichen für die Tonstelle ohne Rücksicht auf die Interpunction nöthig ist, so ist dafür das Zeichen Accent angenommen, z.B. Accent (mäläch). Uebrigens singen auch die Juden in ihren Synagogen die Perikopen nach den A-en. Im Syrischen hatte man früher eine Menge A-e (nach dem Grammatiker Barhebräus 40), aber ihr Gebrauch ist längst verloren gegangen. Sie sind übrigens mehr Interpunctionszeichen. Von andern asiatischen Sprachen werden noch A-e gebraucht, z.B. im Chinesischen, wo man 4 A-e hat; ihre Form (ein kleiner Halbkreis) unterscheidet sich nur, je nachdem er die od. jene. der 4 Ecken des Wortzeichens einschließt; dem Wortzeichen werden sie aber nur dann beigefügt, wenn es mit einem andern, als seinem gewöhnlichen A-e ausgesprochen werden soll. 3) Der oratorische A. In der Rede steht der A. auf einzelnen Wörtern, d. h. werden diejenigen Wörter mit gehobener Stimme ausgesprochen, auf welche der Redende die Aufmerksamkeit der Hörer hinlenken will. In Fragen liegt der. A. auf dem fragenden Worte, in adversativen Sätzen auf den Wörtern, welche die Gegensätze enthalten. Der oratorische A. kann auch von dem Wort-A. ganz abweichen, wenn ein durch eine Bildungssylbe bezeichneter Hauptbegriff hervorgehoben werden soll; zu vermeiden ist nur, daß der A. auf übeltönende (kakophonische) Wörter gelegt wird. 4) Der metrische A. im Vers fällt, abweichend von dem Wort-A., auf die Sylbe, welche in der Arsis steht; so fallen in dem Versanfang sīt pécorī, ápibūs quanta die metrischen A-e auf die mit – bezeichneten Sylben ganz abweichend von dem mit ´ bezeichneten Wort-A-. Die ältern römischen Versmaße, bes. der Saturnische Vers, folgte in seiner Messung noch ganz dem gewöhnlichen Wort-A., die späteren Dichter, seit Ennius, beachteten nach griechischen Mustern die[69] Sylbenquantität mit Vernachlässigung des Wort-A-s. Umgekehrt begannen die Griechen später in den Politischen Versen (s.d.) wieder den Wort-A. zu berücksichtigen. 5) Der musikalische A. ist: der taktische, der es mit dem richtigen Wechsel der guten u. schlechten Tacttheile; der rhythmische, der es mit der Bildung der Sätze zu einem symmetrischen Ganzem, also dem Periodenbau; u. der malende (Gefühls-) A., der es mit dem Vortrage zu thun hat.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 69-70.
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