Anstand

[546] Anstand, 1) (lat. Decorum, Decenz), das Verhalten od. Benehmen eines Menschen, um sich, seinen Lebensverhältnissen gemäß, würdevoll u. achtbar zu zeigen, bes. in sittlicher Beziehung u. zu Folge gewisser conventioneller Grundsätze, welche letztere daher auch wechseln können, so daß, was zu einer Zeit od. an einem Ort als anständig gilt, es nicht immer u. überall ist. Insbesondere ist A. die äußere, körperliche Haltung, wie sie Einem zufolge seines Lebensalters od. seines Standes ansteht, z.B. militärischer A., A. auf dem Theater etc. Daher Anstandsrollen, solche Theaterrollen, bei denen es bes. auf äußerliche Repräsentation ankommt, u. Anstandsdamen, Liebhaberinnen aus den gesetzten Jahren. Fehlerhaftigkeit u. Mangelhaftigkeit im A. wird als ein schlechter A. bezeichnet. Der Gegensatz der Anständigkeit od. Wohlanständigkeit, d.i. des A-s auf das ganze Leben übergetragen, ist Unanständigkeit; Dolz, Anstandslehre für die Jugend, Lpz. 1810; 2) (Jagdw.), das Lauern auf das zu erlegende Wild, wie auch der Ort, wo dies geschieht (Ansitz, wenn der Jäger sich sitzend, bes. auf Bäumen, verbirgt). Zum A. wählt der Jäger, wo möglich, heiteres od. nur wenig wolkiges, nicht stürmisches Wetter u. geht in Begleitung eines guten, ruhigen Hundes etwa 1/2 Stunde vor Sonnenunter- u. Sonnenaufgang zu demselben. Man unterscheidet Abend-A. auf dem Auswechsel, Morgen-A. auf dem Ein- od. Heimwechsel. Man braucht die Bürschbüchse bei dem A. auf Hochwild, Sauen, Rehe, die Flinte auch auf letztere u. auf große Raubthiere, Füchse, Hafen, Kaninchen u. Schwäne; 3) Hemmung u. dadurch bewirkte Verzögerung; 4) (Rechtsw.), Frist für etwas, bes. so v.w. Moratorium, daher Anstandsbrief; 5) an manchen Orten Gerichtsferien.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 546.
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