Entführung

[778] Entführung (Crimen raptus, Jungfernraub), die von einer Mannsperson durch List od. Gewaltverübterechts widrige Bemächtigung u. Wegführung einer fremden Ehefrau, Klosterjungfrau, Wittwe od. unbescholtenen Jungfrau gegen od. wenigstens ohne deren eigenen Willen od. den Willen derer, welche über die Entführte eine väterliche, vormundschaftliche od. sonst rechtliche Gewalt haben, zu dem Zwecke, um von der Entführten einen unerlaubten Geschlechtsgenuß für sich od. Andere zu erzwingen. Das Römische Recht, auf welches auch[778] die Peinliche Gerichtsordnung Karls V. (Art. 118) verweist, droht dem Entführer, ohne weitere Unterscheidung der einzelnen Fälle, Todesstrafe durch das Schwert, mit Einziehung des ganzen Vermögens an. Das Letztere soll zunächst an die Entführte, od., wenn dieselbe eine Klosterjungfrau war, an das Kloster fallen; hätte aber die Entführte hinterdrein den Entführer geheirathet, so soll das einzuziehende Vermögen an die Eltern der Entführten u. erst, wenn solche nicht vorhanden sind, dem Fiscus zufallen. Wenn aber ein Frauenzimmer aus der Obhut des Vaters od. Ehemannes entführt worden ist, so soll die Bestrafung nicht von Amtswegen, sondern nur auf erhobene Anklage des Vaters od. Ehemannes eintreten. Die neueren Strafgesetzgebungen haben sich in Betreff des Begriffes meist dem Gemeinen Rechte angeschlossen; doch kommt in einigen die Abweichung vor, daß sie eine E. auch von Mannspersonen als möglich betrachten u. unter dasselbe Strafverbot stellen. Auch wird von mehreren die E. von Kindern noch als eine besonders ausgezeichnete Art des Verbrechens aufgestellt. Die Strafe besteht nach den neueren Strafgesetzbüchern auch in den schwersten Fällen nicht mehr in Todes-, sondern nur in einer längeren od. kürzeren Gefängniß-, Arbeitshaus- od. Zuchthausstrafe. Als Strafmilderungsgrund gilt es nach einigen Gesetzen, wenn der Entführer freiwillig seinen Zweck aufgegeben u. die entführte Person unverletzt aus seiner Gewalt entlassen hat. Einige Gesetzgebungen stellen auch die Entführte unter das Strafgesetz, wenn sie sich freiwillig, aber wider den Willen der Eltern, des Vormundes od. Ehemannes entführen ließ. Um das innere Familienleben nicht zu sehr bloszustellen, lassen manche Strafgesetzbücher diejenigen Arten der E-en, bei denen das Verbrecherische nur in der Verletzung der Obhutsrechte Dritter besteht, nur auf Antrag bestrafen, was einige Legislationen sogar auf alle E-en ausgedehnt haben.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 778-779.
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