Irrlichter

[69] Irrlichter, 1) nach der gewöhnlichen Meinung Lichter von verschiedener Größe, welche in sumpfigen Gegenden, auf Mooren, Kirchhöfen etc. über dem Boden schweben u. sich hin u. her bewegen. Die größeren bezeichnet man als Irrwische (Feuermänner), u. letztere sollen bis zu 12 Fuß Höhe gesehen worden sein. Um über die Natur der J. ins Klare zu kommen, bemühte man sich in neuerer u. neuester Zeit solche zu beobachten. Bessel sah am 2. Dec. 1807 in einer trüben Nacht in der Moorgegend von Bremen zahlreiche bläuliche Flämmchen ohne große Lichtstärke, welche über dem Grund entstanden, einige Secunden leuchteten u. dann wieder verschwanden; Vogel beobachtete im[69] Sept. 1849 zwischen Camenz u. Königsbrück u. im Nov. d. J. bei Leipzig über schlammigen Gräben leuchtende Flämmchen, die plötzlich erloschen u. nach wenigen Secunden durch neue ersetzt wurden; zu Fontainebleau stiegen am 22. Dec. 1839 bei gelindem Wetter in den Straßen der Stadt Flämmchen unter Knistern aus schlammigen Pfützen auf u. erfüllten die Luft mit Phosphorgeruch; Filopanti, welcher 1851 bei Bologna J. sah, will sogar Werg an ihnen entzündet haben. Höchst wahrscheinlich beruhen diese u. ähnliche Beobachtungen, wenn sie nicht bloße Erdichtungen sind, auf Täuschungen, so daß man vielleicht das Leuchten alter Weiden, wie man es in warmen Sommernächten zuweilen beobachtet, od. leuchtende Insecten, od. auch andere Erscheinungen für J. angesehen hat. Was die Vermuthungen derer, welche die Existenz der J. annehmen, über den Ursprung derselben anlangt, so hielt man sie sonst für fette Dünste, welche an sumpfigen Orten aufstiegen u. des Nachts durch die Kälte in schleimige Klumpen verdickt, sich entzündeten u. von der geringsten Bewegung der Luft hin u. her getrieben würden; nach Volta sind sie Kohlenwasserstoffgas, welches sich durch Verwesung organischer Körper gebildet hat u. durch einen elektrischen Funken entzündet; Andere halten sie für elektrische Erscheinungen, ähnlich dem Elmsfeuer Nach der Entdeckung des selbstentzündlichen Phosphorwasserstoffgases glaubte man, daß die J. diesem ihren Ursprung verdankten, allein bis jetzt ist nicht bekannt, daß dieses Gas in der Natur vorkommt; selbst bei Fäulniß bildet es sich nicht. Ebenso wenig stichhaltig als sich diese letztere Erklärungsweise herausgestellt hat, ebenso lehr entbehren auch alle jene andern Annahmen jeder wissenschaftlichen Begründung, u. den namhaftesten Naturforschern der neuesten Zeit ist es trotz vielfacher Bemühungen nicht gelungen, J. aus eigener Anschauung kennen zu lernen, so daß sie die Existenz derselben gänzlich in Abrede stellen. Die Wissenschaft kennt daher keine Irrlichter, so sehr auch der Volksglaube zur Zeit noch daran festhält. Der Glaube an J. ist übrigens sehr alt. Die ältesten Ausdrücke für J. scheinen Vältelys u. Elflicht zu sein, andere Namen sind: Heerwisch, Fuchtelmann, Tückebold, Dwerlicht, Dwelligt, Zeusler, Zinsler, Zinselgespenst Nach der alten Sage sind es Seelen, welche der himmlischen Ruhe nicht theilhaftig geworden sind, bei nächtlicher Weile umherschweifen u. den Wandersmann irre leiten (daher der Name); nach dem späteren Volksglauben beschränkte sich ihre Bedeutung auf zwei Arten unseliger Geister: auf die Seelen ungetaufter Kinder u. solcher Menschen, die Frevel am Ackerfeld verübt hatten; ungerechte Landmesser od. wer seinem Nachbar Feld abpflügt, Grenzsteine verrückt etc., diese trifft die Strafe als Irrwische umzugehen. Man glaubte, daß die J. beim Herannahen u. beim Fluchen sich entfernten, beim Beten dagegen näher kämen, daß sie sich an die Räder von Wagen hängten, welche über Stellen führen, wo sich viele J. zeigten; sie sollten überhaupt dem Luftzug gehorchen, sich senken u. erheben u. unter einem kleinen Knall verlöschen. 2) (Feuerw.). kleine Bränder od. Schwärmer, welche auf dem Wasser schwimmen u. abwechselnd untertauchen, auch auf der Erde hin- u. herspringen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 69-70.
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