Juften

[172] Justen (Juchten, vom russ. Just, Justi, d.i. ein Paar, weil gewöhnlich zwei Häute zusammen gefärbt u. gegerbt werden), lohgares, schmeidiges, haltbares u. wasserdichtes Leder, welches von Insecten nicht angegriffen wird, zu Stiefeln, Schuhen, Pferdegeschirr, Beschlagen der Stühle u. Wagen gebraucht. Man nimmt dazu (am besten) Rinds-, aber auch Kalbs-, Bock-, Ziegen-, Roßhäute. Echtes J. wird nur in Rußland verfertigt u. das Astrachanische ist das beste. Die Häute werden zuerst in Wasser gelegt, um sie zu erweichen, darauf in einer Art Flachsbreche, dann ein paar Wochen zum Enthaaren in eine Kalk- u. Aschenlauge, dann gespült; hierauf zusammengelegt, durch Schwitzen zum Gähren gebracht u. abgeschabt. Dann werden sie getreten, tüchtig durchgearbeitet, wieder gereinigt u. auf der Fleischseite geebnet. Um die Häute zu schwellen, bringt man sie in Kleienbeize od. in eine säuerliche Beize von Haferschrot u. dann zwei bis drei Tage in eine Auskochung von Weidenrinde. Nun folgt das eigentliche Gerben mit Weidenrinde, welche zuweilen durch Birkenrinde ersetzt wird. Die kleinern Häute bleiben eine Woche, die größern länger in der Lohbrühe. Die herausgenommenen Häute werden gehörig mit den Füßen durchwalkt u. ausgestrichen, das ganze Verfahren aber viermal wiederholt, u. beim letzten Einsatze werden die Häute wenigstens drei Wochen in der Lohe gelassen. Die lohgaren Häute werden nun zugerichtet, mit Alaun getränkt, mit Sandelholz bei rothem u. mit Sandelholz u. etwas Eisenvitriol bei schwarzem J. gefärbt. Dabei werden zwei Häute mit der Haarseite nach innen, wie ein Sack zusammengenäht, durch die oben gelassene Öffnung wird die Farbe hineingegossen, diese zugenäht u. die Häute herumgewälzt, damit sich die Farbe an allen Orten gleich stark einziehe. Die getrockneten Häute bestreicht man noch zweimal mit Farbe, zuletzt werden sie auf der Fleischseite mit einer Mischung aus Thran u. Birkentheeröl (Döggut) zwei- bis dreimal eingeschmiert, geschlichtet u. gekrispelt. Oft gibt man dem J. eine künstliche Narbe, indem man es mit Holz- od. Metallplatten, in welche beliebige Muster, bes. häufig gegitterte Linien eingravirt sind, bedruckt od. preßt. Die in mehreren Gerbereien Deutschlands, Ungarns, Frankreichs, Schwedens, Polens etc. nachgemachten J. stehen den echten sehr nach, bes. fehlt ihnen der eigenthümliche durchdringende Geruch. Im Handel unterscheidet man: a) russische, extrafeine J., mit zarten u. kleinen Narben, von carmoisinrother Farbe, weiß u. silberartig auf der Aasseite; b) gemeine J., sein, blaßroth, dunkelroth od. braun; c) Mitteljusten, mit verwachsenen Engerlingslöchern, leichten Schnitten, an den Seiten lappicht; d) ordinäre od. gemeine J., mit Engerlingslöchern u. narbenlosen Seiten; e) Ausschuß od. Malia, mit noch größern Schnitten, Engerlingslöchern etc.; f) fehlerhafte J., in der Gare verbrannte Häute. Die drei ersten Sorten nennt man auch Gave. Die polnischen (neurussischen) Sorten sind: Mohilever, Ploczker od. Mitteljuften, Poloczker od. Polnische gemeine, gemeine Roßwall- u. Grenzjuften.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 172.
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