Legende

[216] Legende (v. lat.), 1) was zum Lesen bestimmt ist, z.B. Aufschrift, Inschrift, bes. 2) die die Hauptfigur erklärende Umschrift einer Münze; 3) Lesestück aus der Heiligen Schrift u. aus den Lebensbeschreibungen der Heiligen zum Gebrauche des Chors in Klöstern auf einen gewissen Tag bestimmt; 4) Buch, welches dergleichen Lesestücke für alle Tage des Jahres enthält; 5) jede Lebensbeschreibung der Heiligen; 6) jede einzelne Erzählung eines bes. mit Wundern ausgestatteten Ereignisses aus dem Leben eines Heiligen. Sammlungen von Lebensbeschreibungen der Heiligen, Märtyrer u. Bekenner finden sich schon im 2. Jahrh. unter dem Namen Acta Sanctorum od. Martyrologium. Nach Valerius Augustinus entstand die Mehrzahl der L-u durch die in den Klöstern den Mönchen u. Nonnen aufgegebenen Ausarbeitungen über das Leben der Märtyrer u. Heiligen, wobei sie Wahrheit u. Dichtung mischen durften. Das Mittelalter war bes. reich an dieser Art von Erzählungen, wovon es eine große Menge unter dem Namen des Simeon Metaphrastes gibt. Im 15. Jahrh. machte sich Jakob de Voragine durch seine Goldene L. (Legenda aurea s. Historia lombardica), später Lippomanus u. im Anfang des 17. Jahrh. Laur. Surius berühmt. Gleichzeitig mit dem Letzteren begannen die Bollandisten ihre Acta Sanctorum. Historische Wahrheit erhalten zwar die Mehrzahl der L-n nicht, aber als eine eigene Art religiöser Dichtungen viele sinnige Ideen. Herder, Kosegarten, Fouqué, Amalie von Imhof, K. Pichler, Goethe, Justi, Friedrich u. A. W. Schlegel, u. in neuester Zeit K. Simrock, Ch. Freiherr v. Zedlitz, Ladislaw Pyrker u. m. A. haben gute L-n geschrieben. Die L. kann in ästhetischer Hinsicht auch in komischer Einkleidung erscheinen; bei solcher Bchandlung wird das Wunderbare in der Begebenheit, unter der Voraussetzung, daß die Begebenheit selbst der Erfolg eines verirrten Gefühls war, als ein Lachen erregender Gegenstand dargestellt. Langbein u. Pfeffel leisteten in dieser komischen Gattung Vorzügliches; 7) so v.w. Mährchen, erdichtete Erzählung; 8) so v.w. Unwahrheit.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 216.
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