Schandstein

* Den Schandstein tragen müssen.

Das lebendige Volksrecht früherer Zeit hatte verschiedene Strafarten für Frauen, die sich vergangen hatten. Eine Frau, die ihren Mann geschlagen, wurde rücklings auf einem Esel (s.d. 614) durch die Stadt geführt. Zwei Frauen, die sich auf offenem Markte gezankt hatten oder wol gar handgemein geworden waren, schloss der Büttel in ein durchlöchertes Holz dergestalt, dass zwei an den beiden Enden befindliche weite Löcher für den Hals, kleinere Löcher für die Arme bestimmt waren. Die beiden Frauen waren Gesicht gegen Gesicht gekehrt und hätten sich wol gern mit den Nägeln angefallen, wenn ihre Hände nicht gefesselt gewesen wären. In dieser Lage mussten sie [100] eine Stunde auf offenem Markte verharren. Eine andere Strafe für zänkische Weiber, die sich mit Worten und Werken gegeneinander vergangen hatten, bestand darin, dass sie die »Schandsteine« durch die Stadt tragen mussten. Doch hat sich das Tragen des Schandsteins nicht auf weibliche Personen beschränkt. Der Schandstein hatte auch nicht überall dieselbe Form. In Bautzen z.B. hatte er die einer Flasche (s. Flaschentragen), in Hamburg heisst er der »Ehrlose Block«, in Lübeck hatte er die Form einer Schüssel; in einigen Städten bestand er aus einem Halseisen, an dem ein brotförmiger Stein hing; daher die Redensart: Es ist ein schwerer Bissen Brot (s. Brot, Nachtr.). In Stettin musste er, nachdem er um den öffentlichen Markt getragen war, auf dem Kâk oder Pranger niedergelegt werden. (Dähnert, 401a.) Ausser den Marktfriedensbrechern und Verleumdern wurden an manchen Orten diejenigen zur Strafe, den Schandstein zu tragen, verurtheilt, welche die nächtliche Ruhe durch Strassenlärm gestört hatten. Diese Steine waren übrigens nicht leicht. Nach dem dortmunder und halberstädter Statut von 1348 sollten sie das Gewicht eines Centners haben. Waren die Verurtheilten wohlhabend, so konnten sie sich von der ihnen zuerkannten Busse durch einen Sack voll Hafer, der mit einem rothen Bande zugebunden sein musste, von dieser Strafe loskaufen. (Vgl. Gierke, Humor im deutschen Recht.) (S. Hund 1600, Katze 742, Klapperstein und Lasterstein.)

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 4. Leipzig 1876, Sp. 100-101.
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