Scheren

1. Besser scheren als schinden.

Mhd.: Sô ist bezzer schern dan schinden. (Freidank.) (Zingerle, 131.)


2. Das Scheren lernt man am Bart des Narren.

In Aegypten sagt man: Er lernt das Schröpfen an den Köpfen der Weisen. Wie in vielen Krankenhäusern Europas die angehenden Wundärzte und Heildiener ihre Kunst an den Körpern armer Kranker erlernen, so geschieht Aehnliches im Morgenlande, wie die vorstehende Redensart beweist. Die Schröpfköpfe werden nämlich dort an dem Hinterkopfe, unmittelbar über dem Nacken angesetzt. (Burckhardt, 752.)


3. Es geht mancher zu scheren aus, und kommt geschoren nach Haus.

Engl.: He that deceives an other, is often deceived himself. (Gaal, 198.)

It.: Tal crede d'ingannar, che resta ingannato. (Pazzaglia, 177, 2.)


4. Es ist nicht allzeit gut scheren.


5. Es wird mancher geschoren (geneckt) und er weiss nicht, warum.


6. Man muss scheren, wo Haar (Wolle) ist. Meisner, 43; Simrock, 11821a.


7. Man schert die Schafe wegen der Wolle.


8. Man schert und melkt die Esel nicht wie die Schafe.


9. Mancher will andere scheren und wird selbst geschunden.

Span.: Tal suele venir por sarna que vuelve tresquilado. (Don Quixote.)


10. Niemand so nahe schiert, als wenn der Bauer Herr wird. (S. Messer 36, Schermesser und Schwert.)


11. Schere, wo Haar ist; trinke, was klar ist, und lehre, was wahr ist.


12. Scherstu mir, so wil ich dich zwagen.Petri, III, 11.


13. Wenn's ans Scheren geht, so hält einer den andern bei den Ohren.


14. Wer andere scheren will, schneidet sich selbst in die Finger.


15. Wo man selber kann scheren und weben, wird es gute Leinwand geben.


*16. Einen scheren.

»Ich halte, der schiert mich.« (Keller, 143a.)


*17. Einen trucken scheren.Frommann, II, 251, 6.

Eigentlich jemand den Bart abnehmen, ohne ihn vorher einzunetzen oder einzuseifen. Meist aber ironisch für: Einem den Kopf abschlagen. Bei Näfels im Canton Glarus besiegten (am 9. April 1388) 500 Glarner 6000 Oesterreicher; die meisten Feinde verloren ihr Leben. Dadurch wird die Stelle in Ruff's Etter Heini erklärt: »Zu Nëfels an der Lez hannd wir inen geschoren ungenez.« Diese Auffassung wird, wie Frommann a.a.O. bemerkt, auch noch durch ein Klopfen des nürnberger Meistersängers H. Folz (neu herausgegeben von O. Schade, S. 46) bestätigt, in dem es wahrscheinlich mit Anspielung auf den unter dem Namen Lochwirth bekannten und gefürchteten Gefangenenwärter zu Nürnberg heisst: »So solt man dich ein stund nit leiden, sondern einweisen zu dem wirth, da man sonst allweg trucken schirt.«


*18. Er schert die Schafe, dass die Wolle fliegt.

Holl.: Hij scheert het schaap, dat er de wol afvliegt. (Harrebomée, II, 239a.)


[147] *19. Er schert die Schafe, ohne dass sie schreien.

Holl.: Hij scheert het schaap, zonder dat het schreeuwt. (Harrebomée, II, 239a.)


*20. Er schert oin bis auf d' Haut. (Ulm.)


*21. Er schiert bis aufs Fell.

Lat.: Ex syngrapha agit. (Seybold, 165.)


*22. He schert alls äver ênen Kamm. (Holst.) – Schütze, IV, 38.


*23. Selber scheren1 und weben.

1) Garn zum Weben aufziehen.

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 4. Leipzig 1876, Sp. 147-148.
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