Ungeld

* Es ist Ungeld.

In den Zeiten, als nur wenig Menschen schreiben konnten, wurden die Steuern auf ein Kerbholz eingeschnitten, und auch viel später hiessen die auf Papier gefertigten Belege Kerfzettel. Im Latein des Mittelalters lautet der Ausdruck für diese Kerben bald tullia, bald cisa. Insbesondere wurden die Grundsteuern gern tullia, cisa und Kerben benannt; aber auch andere Abgaben, namentlich die von Wein und Bier empfingen diesen Namen, wie z.B. in Köln um das Jahr 1270 eine Zise vom Wein erwähnt wird. Ausser der unmittelbaren Steuer, welche man vor Gewinnung des Weins oder vor Brauen des Biers bezahlen musste, legte man später noch eine unmittelbare Steuer für den Verbrauch oder für das Verzapfen der Getränke auf, gleichsam eine Zusatzsteuer und nannte sie Ad cisa (verschmolzen oder assimilirt Accisa), Ad tallia (Attallia). Der Unwille über diese unmittelbare Steuer ist so alt, als die Steuern selbst, und er hat sich laut an den Tag gegeben durch die Bezeichnung mala tolta, mala touta, in England evil toilt. Die Deutschen waren, wie es scheint, geduldiger als ihre Nachbarn in den Niederlanden; denn mit Gelassenheit ertrugen sie die erste oder unmittelbare Steuer, Cisa, Zise, und die zweite oder mittelbare, Accise (Ad cisa); als aber noch eine dritte Steuer oder ein Zoll für Dinge hinzukam, die man von aussenher bezog und den Thorzoll benannte, so fuhr Michel auf, voll Ingrimm und schalt diese Steuer das Unrecht oder das Ungeld. »Zoll, so man Ungeld nennt.« »Ungeld, der Zoll unter dem Thore.« Die Regierung war sehr aufgebracht darüber, dass man die neue Steuer durch diesen Ausdruck beschimpfe; allein das Wort war da, und kein Verbot konnte es entfernen; die Regenten sahen sich sogar genöthigt, den Ausdruck selbst anzuwenden, wenn sie verstanden sein wollten. So bediente sich Markgraf Albert von Brandenburg im Jahre 1208 für Bezeichnung dieser Abgabe des Worts »Unrecht« (indebitum.). Wenn später Steuererheber, Zöllner u.s.w. diese Abgabe auf ihren Steuerzetteln Umgeld oder Ohmgeld nannten, so ist dies entweder aus Unkenntniss geschehen, oder um dem misliebigen Ausdruck eine verhüllende Form zu geben. An die Vorsilbe »un« knüpft sich in sehr vielen Wörtern die Vorstellung des Unnatürlichen, Verkehrten, Verhassten, Widerwärtigen, mit einem Worte von etwas Schlimmern, als durch das Grundwort in seinem vermeinten Begriff bezeichnet wird. Unglück ist schlimmer als kein Glück. Aehnliches gilt von Unwetter, Unkraut, Unthier, Unmensch u.s.w. (Vgl. Eiselein, 608-611.)

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 1. Leipzig 1867, Sp. 1432.
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