Wiege

1. Auf die Wiege folgt das Grab.

Böhm.: Co kolébka kolébala, to motyka zakopala. (Čelakovsky, 307.)


2. Der eine sorgt für die Wiege, der andere für das Kind.


3. Die in der Wiege sterben, können später nicht verderben.

It.: Non mondo non è felice, se non chi muore in fascie. (Cahier, 2920.)


4. Es wird keinem bey der Wiegen gesungen, was jhm sein Lebelang vbergehen soll.Petri, II, 305.


5. Et werd keinen bî der Wägen esungen, wô 't 'm nâhär gân sal.Schambach, II, 199.


6. In der Wiege liegt das Grab.Sailer, 149.


7. Man muss nicht nur für die Wiege, sondern auch für die Windeln sorgen.


8. Mancher kann an der Wiege sehen, wie stark das Kind ist.

Schwed.: Mången kan si på vaggan, när barnet wil kräfja sig. (Grubb, 546.)

9. Mancher sorget für die Wiegen, ehe das Kind geboren wird.Henisch, 1392, 15; Sailer, 124.


10. Von der Wiege bis zum Grabe ist ein kleiner Weg.

It.: Dalla culla alla tomba è un breve passo. (Pazzaglia, 376, 1.)


11. Was die Wiege geschaukelt, das wird der Spaten begraben.

Böhm.: Co kolébka vyhoupala, to motyka zakopala. (Čelakovsky, 223.)


12. Was Einer in der Wiege lernt, das bleibt bis zum Grabe.


13. Was vorgeht zwischen Wieg und Tod, der Pfaff hat seine Hand im Sod.Junker und Pfaffen, II, 190.


14. Wenn wir in der Wiege liegen, wiegt man uns; wenn wir im Sarge liegen, denkt niemand ans Schaukeln.Altmann V, 125.


[227] 15. Wer in der Wiege stirbt, ist am glücklichsten.Schlechta, 440.

Ich hörte jemand behaupten: der Mensch sei unter allen der glücklichste, welcher nie geboren worden sei.

16. Wer sich in der Wiege bekehrt, darf's nicht unterm Galgen.


17. Wie in der Wiege, so im Grabe.

In der Regel bleibt der Mensch, wie er geboren ist.


*18. An de Wieg sihn können, wenn et Kend Schlôp het (oder: kakken well). (Meurs.) – Firmenich, I, 402, 112.


*19. Das ist ihm nicht bei der Wiege gesungen worden.Lohrengel, II, 72; Tendlau, 629.

Dass er in solche traurige Verhältnisse kommen werde. In Krefeld: Dat es öm en de Wéig néit für jesonge. (Röttscher, 132.) In Ostfriesland: Dat is hüm bi de Wege nêt vorsungen. (Kern, 1139.) Jüdisch-deutsch in Warschau: Ueber mir hot män auch Wechures gesüngen. Wechures ist ein Dankgebet, welches bei der Beschneidungsceremonie gesungen wird. Daher sagt einer, der in guten Verhältnissen geboren ist und später bittere Entbehrungen dulden muss: Es wurde mir anders an der Wiege gesungen.


*20. Dat is üm in de Wêge nich vörsungen. Frommann, II, 537, 154; Bueren, 218; Eichwald, 2030; Hauskalender, II; Tappius, 47a.

*21. Die marchtränker Wiege fehlt.

In Bezug auf zänkische Eheleute. (S. 36.)


*22. Dumm gewiegt und alwern gehutzelt. (Oberharz.)

Dumm gewiegt und albern aufgefüttert. Von Leuten, die von Kindheit an dumm sind.


*23. Einen aus der Wiege werfen.

»Auf einen halten vnd mercken, jhn anholn vnnd aus der Wiege werffen.« (Mathesy, 187b.)


*24. Er ist aus der Wieg ins Grab gangen.

Holl.: Hij is uit de wieg in het graf gestapt. (Harrebomée, II, 457a.)


*25. Er ist dumm gewiegt worden.Struve, I, 43.


*26. Er ist nicht mehr in der Wiege verstorben.


*27. Er wird eine leere Wiege ziehen.

Holl.: Hij zal eene ledige wieg wiegen. (Harrebomée, II, 457a.)


*28. Für die wiegen sorgen, eh' das kindt gemacht (oder geboren) ist.Franck, II, 50a; Henisch, 794; Eiselein, 372.

Dän.: Ar kjøbe vuggen før barnet er fød. (Prov. dan., 567.)

Lat.: Ante lentem augere ollam. (Erasm., 305; Philippi, I, 34; Tappius, 47a.)


*29. He sorgt fär de Wêg' êer he 't Kind het. (Stadland.)

Holl.: Hij zorgt voor de wieg, eer het kind geboren is. (Harrebomée, II, 457.)


*30. Hei kann et der Weige anseien, wann dat Kind kacken will. (Westf.)


*31. Hier ist die Wiege, wo ist das Kind?

Die Russen: Da ich für die Wiege gesorgt habe, so sorge du nun für das Kind. (Altmann V, 81.)


*32. Man wiege dich über sich oder unter sich, so wiegst du ein Schalk.

Lat.: Nec dependis, nec propendis, quin malus nequam que sis. (Plautus.) (Philippi, II, 8.)


*33. Meine Wiege stand am Webstuhl meines Vaters.

Ein Wort, das der Abgeordnete von Beckerath am 4. Juni 1847 in einer Sitzung der Curie der drei Stände des ersten vereinigten preussischen Landtags ausgesprochen hat. (Vgl. Der erste preussische Landtag, Berlin 1847, Abth. 2, Hft. 10b, S. 1387.)


*34. Mit dieser Wiege bin ich gewiegt.Simrock, 11597.

In diesem Stück bereits ganz eigene Schicksale erlebt und lehrreiche Erfahrungen gemacht haben.


*35. Se könnt et an de Wêge seen, wenn dat Kind pissen will un Aa doen. (Holst.) – Schütze, IV, 548; Körte, 2411.

Vom Ueberklugen.


*36. Sie gehören in die marchtrenker Wiege.

Marchtrenk ist ein Pfarrdorf bei Wels im Hausruckkreise in Oberösterreich. Als Merkwürdigkeit wird oder wurde dort eine Wiege gezeigt, auf deren einer Seite eine männliche Figur liegend und, wie ein kleines Kind eingefatscht, abgebildet ist, wobei der Vers zu lesen ist: »Wie geht's mir armen Mann, diesen Spott ich nicht genug bedauern kann, dass ich hier lieg' gewindelt ein, will doch dabei geduldig sein.« Auf der andern Wand ist eine weibliche Figur, ebenfalls liegend, abgebildet. Zu ihren Füssen steht eine Kochpfanne, darunter der Vers: »Seht, ihr Weiber und kommt herbei, was dieses für ein Spott uns sei, dass [228] ich da lieg' geschachtelt ein, das Koch wird mir Erlabnuss sein.« Ueber die Entstehung erzählt Baumgarten (III, 41): In Marchtrenk lebte einmal ein Ehepaar, das sich beständig untereinander kebelte. Die ganze Gemeinde nahm daran ein Aergerniss. Da liess der Schulz (Vorstand der Gemeinde) eine grosse mit Eigen beschlagene Wiege zimmern und das zänkische Paar öffentlich darin wiegen.


*37. Von der Wiege an.Eiselein, 642; Eyering, III, 366.

Lat.: A teneris unguiculis. – Ab incunabulis. (Eiselein, 642; Hanzely, 5; Philippi, I, 2.)


*38. Von der Wiege bis zur Krücke.Körte, 6823.


*39. Von der wiegen biss ins grab.Henisch, 929.

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 5. Leipzig 1880, Sp. 227-229.
Lizenz:
Faksimiles:
227 | 228 | 229
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Buchempfehlung

Angelus Silesius

Cherubinischer Wandersmann

Cherubinischer Wandersmann

Nach dem Vorbild von Abraham von Franckenberg und Daniel Czepko schreibt Angelus Silesius seine berühmten Epigramme, die er unter dem Titel »Cherubinischer Wandersmann« zusammenfasst und 1657 veröffentlicht. Das Unsagbare, den mystischen Weg zu Gott, in Worte zu fassen, ist das Anliegen seiner antithetisch pointierten Alexandriner Dichtung. »Ich bin so groß als Gott, er ist als ich so klein. Er kann nicht über mich, ich unter ihm nicht sein.«

242 Seiten, 11.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon