Chamounythal

[401] Chamounythal (das), eins der wildesten und merkwürdigsten Alpenthäler in der sardinisch-savoyischen Provinz Faussigny, 3200 F. über dem Meere erhaben, zieht sich vier Meilen weit vom Fuße des Montblanc, der es südl. begrenzt, und von der Arve durchströmt, zwischen himmelhohen Bergen, Felsen und Gletschern hin, und ist höchstens 1/4 Stunde, an den schmalsten Stellen nur 420 Schritte breit. Es enthält vier Dörfer, deren beträchtlichstes la Prioré oder Chamouny heißt, und deren Häuser meist einzeln, theils an der Arve, theils an den tristenreichen Abhängen der Berge liegen. Haupterwerbszweig der Bewohner ist Rindviehzucht; berühmt ist ferner der aromatische ganz weiße Honig, den die Bienen daselbst aus den gewürzreichen Alpenblumen sammeln. Im Sommer herrscht hier drückende Hitze, im Winter außerordentliche Kälte und selbst im Jun. sind Nachtfröste nicht selten. Dennoch werden an den der Sonne ausgesetzten Stellen Obst, selbst Kastanien, von Gemüse aber nur Kartoffeln erbaut. Die Naturschönheiten des Thales machen es im Sommer zum Ziel vieler Reisenden und in dem abgelegenen la Prioré befindet sich daher ein großes, trefflich eingerichtetes Gasthaus, wo man an der Wirthstafel 12–14 ausgesuchte Gerichte und trefflichen Wein in Gesellschaft von Leuten aus allen europ. Ländern genießen kann. Steigt man aus dem Thale einige Stunden aufwärts, so gelangt man in die Region der Gemsen und Murmelthiere, [401] zu dem Mont-Anvers, wo man das sogenannte Eismeer, eine ungeheuere Gletscheranhäufung, welche sich vom Montblanc nach dem Thale herabsenkt, überschauen kann und wo in dem weitgähnenden Schlunde eines Gletschers der Arveyron, ein Nebenfluß der Arve, entspringt. Diese Eisgrotte, deren Zacken und Wände in den herrlichsten Farben spielen, hat oft eine Höhe von 100 Fuß, aber der wilde Fluß verändert häufig die Form und die Größe derselben. Andere ausgezeichnete Punkte des Thales sind der Col de Balme, die Aiguilles und der Col de la Flechiere, von dem man die weiteste Aussicht genießt. Erst seit 1741 ist dies vorher als Wildniß betrachtete Thal durch zwei Engländer bekannter geworden, und durch spätere Reisende hat seine Berühmtheit immer zugenommen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 401-402.
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