Chemnitz

[408] Chemnitz, die erste Fabrik- und zweite Handelsstadt des Königreichs Sachsen, hat über 16,000 Einw. und liegt in einer schönen Ebene an der unweit davon in die Mulde fließenden Chemnitz. C. gehört zu den ältesten sächs. Städten, wurde von den Sorben angelegt, schon von Kaiser Heinrich dem Vogelsteller befestigt und war bis 1308, wo es an die Markgrafen von Meißen kam, freie Reichsstadt, daher es auch Kaiserchemnitz hieß. Einer langen Belagerung durch die Hussiten widerstand C. 1429 mit Glück, daher Herzog Georg von Sachsen (gest. 1539) C. die feste Stadt zu nennen pflegte, wie er Leipzig die beste und Freiberg die größte hieß; allein im dreißigjährigen Kriege fiel es viermal in Feindeshand und litt außerordentlich durch Plünderungen und Pest, sodaß es kaum den fünften Theil seiner Bewohner behielt. Auch während der letzten franz. deutschen Kriege ward C. durch zahlreiche Durchmärsche von [408] Truppen hart mitgenommen, hat sich indessen durch die Industrie seiner Bewohner bald wieder erholt. Die Hauptstraßen von Wien nach Leipzig und von Nürnberg nach Dresden kreuzen sich in C., das schon im 11. Jahrh. nicht unbedeutende Bleichen besaß, und wo demnach auch viel Leinwand gewebt wurde. Später, und namentlich im 16. und 17. Jahrh., blühten daselbst vorzüglich Tuch- und Wollenmanufactur und Barchentweberei, wozu bald die Verfertigung von Köper, Cannevas, Piqué und die seit dem I. 1728 eingeführte Fabrikation der baumwollenen Strumpfwaaren kam, mit der sich jetzt vorzüglich in der Umgegend von C. viele Menschen beschäftigen. Außerordentlich wichtig ist ferner die seit der Mitte des 18. Jahrh. in C. eingeführte Baumwollenweberei, Maschinenspinnerei und Kattundruckerei, welche letztere durch W. G. Schlüssel begründet ward, während die Gebrüder Bernhard von Harthau, Wöhler und W. Lange von C. die Maschinenspinnerei anfingen, zu deren Beförderung später der Kurfürst Friedrich August den Engländer Whitfield anstellte und besoldete; auch wurde seit 1800 die türk. Garnfärberei durch Gehrenbeck aus Elberfeld nach C. verpflanzt. Unter dem günstigen Einflusse des neuen deutschen Zollvereins hat das Fabrikenwesen von C. von Neuem an Umfang gewonnen und die Lebhaftigkeit und der Verkehr der gut gebauten Stadt noch zugenommen. C. hat ein Lyceum, fünf Kirchen und ist seit 1831 der Sitz des Industrievereins für das Königreich Sachsen, der durch Mittheilungen über Gegenstände gewerblicher Thätigkeit im weitesten Sinne des Wortes und seine sonstige gemeinnützige Wirksamkeit die Industrie vielfach anregt und fördert.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 408-409.
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