Destilliren

[532] Destilliren und Destillation heißt ein chemisches Verfahren, das sich auf die vielen Körpern eigne Fähigkeit gründet, bei höhern Wärmegraden zu verdampfen und bei kälterer Temperatur sich wieder zu verdichten. Da nun die Körper jene Fähigkeit in verschiedenem Grade besitzen, so dient die Destillation dazu, Stoffe von verschiedener Flüchtigkeit zu trennen; sie wird aber auch zur genauern Verbindung verschiedener Flüssigkeiten benutzt. Je nach dem Gange, welchen die zur Destillation angewendeten Geräthe oder der Destillirapparat den Dämpfen anweisen, unterscheidet man die gerade oder aufsteigende, die schräge und die absteigende, sowie in Bezug auf die flüssige oder feste Natur der ihr unterworfenen Körper die nasse und die trockene Destillation, welche letztere auch Sublimation (s.d.) genannt wird. Die Einrichtung der Destillirgeräthe ist sehr mannichfaltig und wird theils von den Eigenschaften der zur Destillation bestimmten Körper, theils von der Ausführung derselben im Großen oder Kleinen bedingt, erfodert jedoch stets ein Gefäß, in welchem aus den zu destillirenden Stoffen durch Wärme Dämpfe entwickelt, und ein zweites, in welches diese Dämpfe geleitet und durch Abkühlung verdichtet werden. Im Großen sind die wesentlichen Theile desselben die Destillirblase, der Helm, die Schlange, das Kühlfaß und die Vorlage, wie sie bei der aufsteigenden Destillation des Branntweins (s.d.) angewendet werden. Im Kleinen wird am häufigsten die schräge Destillation angewendet, bei der in der Regel eine gläserne, thönerne oder porzellanene Retorte, d.h. ein blasenförmiges, oben mit einem seitwärts gebogenen langen Halse versehenes Gefäß die Stelle der Blase, des Helms und der Schlange vertritt, indem die Mündung ihres Halses unmittelbar in die Vorlage führt, die meist ein kugel- oder birnförmiges Glasgefäß, Ballon oder Kolben genannt, ist. Zuweilen wird jedoch durch eine passende Zwischenröhre, Vorstoß genannt, die Verbindung zwischen dem Retortenhalse und der Vorlage verlängert, deren Abkühlung man dadurch bewirkt, daß sie in ein Gefäß mit kaltem, manchmal mit Eis vermischtem Wasser gelegt oder mit fortwährend frisch angefeuchteten Tüchern bedeckt wird. Bei sehr flüchtigen Stoffen müssen die [532] Geräthe an den Verbindungsstellen luftdicht verkittet oder lutirt werden, weil sonst zu viel verloren gehen würde; in solchen Fällen muß aber eine tubulirte Vorlage angewendet werden, d.h. eine solche, die außer der gewöhnlichen noch eine zweite mit einem Tubulus oder Pfropf zu verschließende Öffnung hat. In diese wird dann eine an beiden Seiten offene Glasröhre eingefügt, durch welche die Luft, welche vermöge ihrer durch die Wärme erhöhten Spannung einen die Dampfentwickelung und dadurch die Destillation hemmenden Druck ausüben würde, sowie Gasarten entweichen können, die sich während des Geschäfts etwa entbinden. Am gewöhnlichsten bedient man sich der gläsernen Retorten und erhitzt sie theils mit gehöriger Vorsicht über einer Lampe oder Gasflamme, theils im sogenannten Sand-, Dampf- und Wasserbade. Ersteres besteht in einem runden und tiefen, eisernen Gefäße, das in den Feuerraum eines Ofens eingelassen und mit Sand gefüllt ist, in dem die Retorte hinreichend weit vergraben und dann mit demselben gefahrlos bis zu demselben Grade erhitzt wird, als wenn sie sich unmittelbar über dem Feuer befände; bei der Erhitzung im Dampf- und Wasserbade wird sie dagegen in einem besondern Gefäße der Einwirkung der Dämpfe oder des heißen Wassers ausgesetzt. Soll ein bis zur Glühhitze gesteigerter Wärmegrad stattfinden, so muß man sich porzellanener Retorten bedienen, oder die Dauer der gläsernen durch einen Überzug, Beschlag genannt, der aus einem Gemenge von fettem Thon, Ziegelmehl, Eisenfeile und dergl. besteht, erhöhen. Werden Stoffe der Destillation unterworfen, aus denen sich Dämpfe von verschiedener Flüchtigkeit und vielleicht auch luftförmige Stoffe entwickeln, die man besonders auffangen will und die sich nur dadurch verdichten, daß sie durch eine Flüssigkeit streichen, mit der sie sich verbinden, so bedient man sich eines sogenannten Woulfe'schen Apparats, d.h. eines solchen, der mit mehren untereinander in Verbindung stehenden, mit Flüssigkeit versehenen und sich immer weiter von der Retorte entfernenden Vorlagen, hier auch Mittelflaschen genannt, versehen ist. Die absteigende Destillation wurde früher bei der Destillation riechender Wasser häufig angewendet, ist jetzt aber nur in wenigen Fällen noch im Großen üblich, wie z.B. bei der Ausscheidung des Quecksilbers aus dem Silber-Amalgama (s.d.). Sie erfodert im Wesentlichen ein metallenes tiefes Gefäß, in dessen oberm Theile ein schüsselförmiger Seiher von Blech eingesetzt werden kann, auf den die zermalmten Pflanzenstoffe, z.B. Rosenblätter, Orangenblüten, zu liegen kommen und mit einem schüsselförmigen Metalldeckel luftdicht verdeckt werden. Auf letztern werden glühende Kohlen gebracht, deren Wärme aus den Pflanzenstoffen Dämpfe entwickeln, welche durch den Seiher in das größere Gefäß dringen, sich hier verdichten und durch eine im Boden befindliche Röhre abfließen, welche durch ein Wassergefäß geleitet ist, in welches das Destillirgefäß der Abkühlung wegen gesetzt wird. Die in der Vorlage gesammelte, aus den verdichteten Dämpfen entstandene Flüssigkeit wird Destillat genannt und es heißt von ihr während der Destillation, sie gehe über oder werde abgezogen. Den in der Retorte bleibenden Rückstand nannte man sonst, wenn er fest war, caput mortuum, d.h. Todtenkopf, wenn er flüssig war, Phlegma, welche Ausdrücke jetzt aber nicht mehr gewöhnlich sind.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 532-533.
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