Kasten

[576] Kasten heißen die Stände oder Stämme, in welche mehre alterthümliche Völker, namentlich die Ägypter und Indier (s. Ägypten und Ostindien) geschieden waren, und welche ihren Ursprung theils in der verschiedenen Beschäftigungsweise, welche einzelne sich immer mehr ausbreitende Familien vorzugsweise betrieben, theils in den Einwanderungen haben. Einzelne Stämme drangen als Eroberer ein und unterjochten die vorhandenen Einwohner, welche sie zwangen, die niedern Dienste zu verrichten, während sie selbst größere Vorrechte und Arbeitlosigkeit in Anspruch nahmen. Die Priester, im Besitz der Bildung und der großentheils geheimen, auf Naturweisheit sich gründenden Religionslehren, behaupteten die erste Kaste, und näher an sie an schloß sich die Kriegerkaste, während die untern dienenden Kasten aus Gewerbtreibenden, Ackerbauern, Hirten u. dgl. bestanden. Das Wesentliche bei der Kasteneintheilung war die strenge Sonderung, indem die Kaste und damit auch die ganze Stellung im bürgerlichen Leben durchaus erblich war. Bei Griechen und Römern gab es keine Kasten, wol aber finden sich Spuren, daß namentlich bei den Griechen in vorhomerischen Zeiten eine ähnliche Verfassung stattgefunden habe. Im Mittelalter haben sich die Stände wieder strenger gesondert, und indem die vornehmern Stände vor den geringern gewisse Vorrechte in Anspruch nahmen, die wenigstens [576] großentheils auch erblich waren, so hat man in neuerer Zeit, um das Gehässige in der Sonderung der Stände zu bezeichnen, von Kasten gesprochen, und namentlich den in den einzelnen Ständen herrschenden Geist der Absonderung als Kastengeist bezeichnet. Niemals ist indeß die Absonderung der Stände im christlichen Europa von der Art gewesen, daß ein Übergang aus einem Stande in den andern schlechthin unmöglich gewesen wäre, wie solches bei der wahren Kasteneintheilung der Fall ist.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 576-577.
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