Labyrinth

[686] Labyrinth wurden im Alterthume mehre Bauwerke genannt, welche so angelegt waren, daß man sich in den vielfach verschlungenen Gängen, welche die zahlreichen Gemächer verbanden und in diesen selbst ohne besondere Leitung nicht zurechtfinden konnte. Das berühmteste, noch jetzt in seinen Trümmern großartige Labyrinth war das ägyptische. Dasselbe lag in Mittelägypten, oberhalb vom See Möris, in der Nähe von Krokodilopolis (Krokodilstadt) in einer Gegend, welche jetzt Fayum genannt wird. Der Erbauer desselben kann ebenso wenig mit Bestimmtheit angegeben werden, wie der Zweck, zu dem es errichtet wurde. Wahrscheinlich stand dasselbe, wie die ganze Religion der Ägypter. mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen in Beziehung und war eine symbolische Darstellung des Sonnen- und Planetenlaufs durch den Thierkreis. Es soll halb über, halb unter der Erde gestanden und 3000 Zimmer enthalten haben. Andern Überlieferungen nach wäre das Labyrinth ein großartiges Grabmal theils für die Könige, welche es erbaut, theils für heilige Thiere, namentlich Krokodile, gewesen. Gegenwärtig soll man noch ungefähr 150 Zimmer besuchen können, indem die übrigen durch Schutt und Finsterniß unzugänglich sind. – Das Labyrinth auf Kreta soll von Dädalus (s.d.) erbaut worden und später der Aufenthalt des Minotauros gewesen sein, welchen Theseus (s.d.) erlegte. Das. selbe war nicht sowol ein Bauwerk als eine große mit verschlungenen Gängen versehene Felsenhöhle, welche man auch in neuerer Zeit bei Gortyne wieder aufgefunden hat. Andere Gelehrte haben jedoch wahrscheinlich gemacht, daß in den Ruinen von Knossus auf Kandia (s.d.) die Überreste des Labyrinths zu suchen seien. – Das Labyrinth bei Clusium in Hetrurien war von Porsenna, dem gewaltigen Hetruskerfürsten, welchem Rom fast gänzlich erlegen wäre, angelegt und zu seinem Grabmale bestimmt worden. – In übertragener Bedeutung hat man schon längst Labyrinth zur Bezeichnung jedes Verschlungenen und darum Dunkeln, darin man sich nicht zurechtfinden kann, gebraucht.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 686.
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