Lebensversicherung

[710] Lebensversicherung nennt man einen Vertrag, nach welchem ein Mensch (der Versicherte) sich verbindlich macht, entweder ein für allemal oder eine größere Reihe von Jahren wiederholt eine gewisse Summe an einen Andern oder an eine Gesellschaft (den Versicherer) zu zahlen, und dafür die Zusicherung erhält, daß ihm nach einer gewissen Reihe von Jahren entweder ein bestimmtes Capital, oder jährlich bis zu seinem Ableben eine bestimmte Rente von dem Versicherer gezahlt werden soll. Bei Bestimmung der Einzahlungssumme des Versichernden wird auf dessen wahrscheinliche Lebensdauer, [710] auf dessen Gesundheitsumstände, Alter, Lebensweise Rücksicht genommen, und der Tod des Versicherten hebt die Verbindlichkeit des Versicherers auf. Die an den Versicherten auszuzahlende Summe wird im ersten Falle eine Lebensactie, im zweiten eine Lebensrente genannt. Eine dritte Art von Lebensversicherungsanstalten sind diejenigen, bei welchen von dem Versicherten bis an seinen Tod oder bis zu einem bestimmten Alter eine gewisse verhältnißmäßig kleine Summe jährlich eingezahlt und dafür von der Anstalt nach dem Tode des Versicherten gegen Vorzeigung des dem Versicherten ertheilten Scheines ein für allemal ein gewisses Capital ausgezahlt wird. Erfahrung und Wahrscheinlichkeitsrechnung sind die Grundlage jeder Lebensversicherungsanstalt, insofern der einzuzahlende Beitrag nach der wahrscheinlichen Lebensdauer (s. Leben) berechnet werden muß. Am sichersten und vortheilhaftesten sind diejenigen derartigen Anstalten, welche auf Gegenseitigkeit gegründet sind, d.h. bei denen Gewinn und etwaiger Verlust nach Verhältniß ihres Antheiles an die Theilnehmer vertheilt wird. Auf diesem Princip beruhen z.B. die 1829 gestiftete gothaer Lebensversicherungsbank für Deutschland und die 1830 gestiftete leipziger Lebensversicherungsgesellschaft. Bei der letztern werden als Theilnehmer nur Personen zugelassen, welche das 15. Jahr bereits und das 60. noch nicht überschritten haben, und dem Theilnehmer, welche über 85 Jahr alt geworden ist, werden die fernern Einzahlungen erlassen. Die Versicherung ist von der Art, daß erst nach dem Tode die Auszahlung des versicherten Capitals geschieht. Der große Vortheil, welchen Lebensversicherungsanstalten dem Einzelnen gewähren können, leuchtet Jedem ein. Was namentlich diejenigen betrifft, bei denen nach einer gewissen Reihe von Jahren der Versicherte ein Capital mit einer Jahresrente ausgezahlt erhält, so empfehlen sie sich allen Denen, welche kein zu ihrem Lebensunterhalt hinreichendes Capital besitzen und dabei einen Erwerbszweig betreiben, der sie zwar so lange ernährt, als Kraft und Jugend ihnen dessen Betreibung gestatten, bei welchem sie aber keine Capitalien zu sammeln vermögen. Die Anstalt gibt daher Veranlassung, in der Jugend für das Alter auf eine beruhigende Weise vorzusorgen. Die andere Art der Lebensversicherungsgesellschaften, bei denen erst nach dem Tode des Versicherten ein Capital ausgezahlt wird, empfiehlt sich dagegen Denen, welche für ihre bei ihrem Tode des Versorgers beraubte Familie sorgen wollen, sowie Solchen, welche zur Betreibung eines muthmaßlich einträglichen Gewerbes eines Capitals bedürftig sind, welches sie nur als Darlehn aufzutreiben vermögen. Diese werden sich des Lebensversicherungsscheines bedienen können, um ihrem Gläubiger eine Sicherheit für das vorgeschossene Capital im Falle ihres Ablebens zu gewähren. Es kann auch ein Mensch den andern versichern, so nämlich, daß jenem im Falle des Ablebens von diesem ein Capital ausgezahlt wird, und es ist klar, daß auch dies unter Umständen vortheilhaft sein kann.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 710-711.
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