Marlborough

[63] Marlborough (John Churchill, Herzog von), der berühmte Waffengenosse des Prinzen Eugen (s.d.) während des span. Erbfolgekriegs und einer der ausgezeichnetsten Feldherren und Staatsmänner Großbritanniens, geb. 1650 zu Ashe in der engl. Grafschaft Devon, hatte nur eine sehr nachlässige Erziehung genossen, als er Page beim Herzog von York wurde, welcher ihm seine Gunst schenkte. Durch ihn erhielt der für den Kriegsdienst eingenommene M. 1666 die Stelle eines Fähnrichs in der kön. Garde, wohnte dem Entsatz von Tanger bei, welches die Mauren belagerten und damals England gehörte, und zeichnete sich 1672 im Kriege gegen die Niederlande unter dem Herzog von Monmouth aus, dem er eines Tages das Leben rettete, ward auch nach seiner Rückkehr vom König Karl II. sehr vorgezogen, der [63] ihn 1682 zum Baron und Oberst bei der Garde ernannte. Nachdem 1685 der Herzog von York als Jakob II. zum engl. Thron gelangte, ward M. Kammerherr, Botschafter am franz. Hofe und nach seiner Rückkehr unter dem Namen Churchill zum Pair ernannt. Dessenungeachtet schloß er sich aber, als Jakob II. wegen seines Strebens nach Alleinherrschaft und Wiedereinführung der katholischen Religion 1688 abgesetzt wurde, dem mit dessen Tochter Maria vermählten Prinzen Wilhelm von Oranien an, welchem die Krone übertragen wurde. M. ward nun Generallieutenant und Graf, befehligte abwechselnd die engl. Truppen in Flandern und Irland, verlor aber 1692 plötzlich alle seine Stellen und wurde, als des Verraths beschuldigt, verhaftet, nach einiger Zeit jedoch wegen mangelnder Beweise freigelassen und erst in neuerer Zeit hat sich ergeben, daß er wirklich mit Jakob II. Verhandlungen angeknüpft hatte, ihm wieder zur Regierung zu verhelfen. Durch den Einfluß der Prinzessin Anna, muthmaßlichen Thronerbin nach dem Tode der Gemahlin Wilhelm III., kehrte M. jedoch 1697 wieder an den Hof zurück, trat 1698 wieder in den geheimen Rath und wurde Gouverneur des Herzogs von Gloucester, Sohnes der Prinzessin Anna, nach seines Zöglings Tode aber 1700 Oberbefehlshaber aller engl. holl. Truppen in den Niederlanden und Gesandter bei den Generalstaaten. Den größten Einfluß erlangte M., als 1702 Anna zur Regierung kam, mit deren vertrauter Freundin, der schönen und geistreichen Anna Jennings, er längst vermählt war. Als Oberbefehlshaber aller im ausgebrochenen span. Erbfolgekriege mit England verbündeten Truppen in den Niederlanden siegte er hier 1702–3 über die Franzosen, erfocht 1704 im Verein mit Prinz Eugen die großen Siege über die Franzosen und Baiern (7. Juli) beim Schellenberge und bei Hochstädt und Blenheim (13. Aug.), wofür er in den Reichsfürstenstand erhoben und später von Kaiser Joseph I. mit der vom geächteten Kurfürsten von Baiern besessenen Herrschaft Mindelheim in Schwaben beschenkt wurde, dafür aber nachher eine Anleihe von drei Mill. Pf. St. in England vermittelte. Dort belohnte ihn die Ernennung zum Herzog von M. und Marquis von Blandford; ferner schenkten ihm Königin und Parlament den Flecken New-Woodstock und ließen ihm dort einen Palast unter dem Namen Blenheimhouse bauen. Auch 1705 und 1706 errang M. in den Niederlanden entschiedene Triumphe über die Franzosen, siegte mit Eugen 1708 bei Oudenarde und 1709 bei Malplaquet; allein England war nun des Kriegs müde, die Partei M.'s ward aus dem Ministerium verdrängt und dieser in seinen Entwürfen sehr beschränkt. Auch hatte sein Stolz, der ihn lebenslänglich die Oberfeldherrnwürde fodern ließ und der unkluge Hochmuth seiner Gemahlin die Königin beleidigt, die eine wegen Unterschleif wider ihn erhobene Anklage benutzte, ihn am 1. Jan. 1712 aller seiner Stellen zu entsetzen, angeblich, damit eine unparteiische Jury in seiner Sache entscheiden könne. Zwar ließ man die Klage später auf sich beruhen, allein M. verließ England und kehrte erst 1714 nach Anna's Tode zurück, wo er von König Georg I. in alle seine Ämter wieder eingesetzt wurde, 1716 aber in Folge eines Schlagflusses sich von den Geschäften zurückziehen mußte. Später verfiel er in Geisteszerrüttung und starb 1722 mit Hinterlassung eines ungeheuren Vermögens. M. war einer der glücklichsten Feldherren, von erprobtem persönlichen Muthe und unermüdlicher Thätigkeit; ganz Europa war seines Ruhmes voll und lange ward überall die Weise des franz. Liedes auf ihn: »Marlbrouk s'en va-t-en guerre« (deutsch: »Marlborough zog aus zum Kriege«) gehört. Von Person und Benehmen anmuthig, verfügte er auch über die Gabe hinreißender Beredtsamkeit, kann aber von dem Vorwurfe niedrigen Eigennutzes nicht freigesprochen werden.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 63-64.
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