Martha

[69] Martha, bekannt aus der biblischen Geschichte als Schwester der Maria und des Lazarus zu Bethanien bei Jerusalem, mit dem sie eine kleine glückliche Familie ausgemacht zu haben scheint, bei der Jesus gern nach seinen mühevollen Lehrgeschäften Erholung suchte. M. war unstreitig die ältere Schwester, gutherzig und rührig und ihre Liebe gegen den Herrn zeigte sich mehr in der Geschäftigkeit für seine äußern Bedürfnisse. Ohne das freudig stille Entzücken der Maria zu ahnen, glaubte sie sich durch die vermeintliche Gleichgültigkeit Maria's gegen ihn gekränkt und beschwerte sich sogar darüber bei ihm, erhielt aber von dem tiefer Blickenden die schonende Antwort, daß sie selbst sich viel zu schaffen mache, da ihm an Wenigem genüge, Maria aber das gute Theil erwählt habe, das nicht von ihr genommen werden solle. Die kirchliche Sage des Abendlandes läßt sie nach dem Tode des Herrn in Gallien als Verkündigerin des Christenthums auftreten und der 19. Jan. wird als ihr Gedächtnißtag gefeiert, ihr Name aber wird sprüchwörtlich auf allezeit geschäftige Wirthschafterinnen angewendet. – In neuerer Zeit ward Anne Biget, geb. 1749, vor der franz. Revolution Nonne, nachher in Besançon wohnhaft, unter dem Namen Schwester Martha wegen des menschenfreundlichen Eifers [69] allgemein bewundert, mit dem sie sich der Kranken und Armen, und namentlich der Kriegsgefangenen, annahm. Nach dem Einzug der Verbündeten in Paris ward ihr Verdienst durch eine Denkmünze und ein Geldgeschenk vom Kaiser Alexander I., vom Kaiser Franz I. mit dem Civilverdienstkreuz und 2000 Francs, vom König von Preußen mit einer goldenen Medaille und auch vom König von Spanien durch ein Kreuz anerkannt. Später empfing sie auch einen franz. Orden, wurde zur Vorsteherin aller Vereine der barmherzigen Schwestern in Frankreich ernannt und starb 1824 zu Besançon.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 69-70.
Lizenz:
Faksimiles:
69 | 70
Kategorien: